Handyman Jack 02 - Der Spezialist
zerlegt und in einem fort geredet. Alicia hatte anfangs große Schwierigkeiten gehabt, ihm zu folgen. Sie war immer noch benommen und in Gedanken bei Hector, den sie kurz vorher hatte sterben sehen. Und dann hatte sie es ein wenig mit der Angst zu tun bekommen. Jack machte den Eindruck, als stünde er unter Strom. Für einen schlimmen Moment hatte sie sogar angenommen, daß er irgendeine rauscherzeugende Substanz konsumiert hätte, oder vielleicht durchlebte er auch gerade die manische Phase einer bipolaren psychischen Störung. Und als sie gehört hatte, wovon er redete, entschied sie sich für letztere Möglichkeit.
Doch dann schilderte er ihr nicht nur, sondern zeigte ihr auch, daß der Rover keine Batterie hatte und nur dann funktionierte, wenn die Antenne eingesetzt war. Er nannte es drahtlose Energie.
»Drahtlose Energie«, wiederholte sie und fing das Chassis auf, als es über ihren Schreibtisch rollte. »Aber das ist doch reinste Science-Fiction.«
»Das hat man auch vom Mondflug behauptet und von einem Computer, den man sich unter den Arm klemmen oder auf den Schoß legen kann – aber das ist schon einige Zeit her. All das ist längst Geschichte. Aber was Sie geradezu überwältigen müßte, ist die Tatsache, daß all das Ihnen gehört.«
Gehörte es ihr, fragte sie sich. Wirklich und wahrhaftig? Und wieviel war es wert? Ein Kribbeln wanderte über ihre Haut, als sie sich klarmachte, daß irgendwann der Tag kommen könnte, an dem jede Lampe, jeder Mikrowellenherd, jeder Fernseher, jedes Auto auf der Welt mit einem dieser kleinen Spezialempfänger ausgerüstet wäre. Wert? Alicia bezweifelte, daß sie oder sonst jemand sich eine solch große Summe überhaupt vorstellen konnte.
»Nicht alles«, sagte sie, als ihr etwas einfiel. »Ein Drittel davon gehört Ihnen.«
Jack legte den Kopf leicht schief und musterte sie verwirrt. »Mir? Aber …«
»Unsere Abmachung, wissen Sie noch? Wir teilen uns den Gewinn – Sie erhalten einen Anteil von dreiunddreißig Prozent.«
»Du lieber Himmel«, sagte Jack und ließ sich in einen Sessel fallen. »Das hätte ich beinahe vergessen.«
»Sie hätten sich irgendwann ganz bestimmt daran erinnert.« Sie wehrte sich dagegen, von der Erregung übermannt zu werden. »Aber im Augenblick haben Sie ein Drittel von gar nichts. Wir haben bisher nur die eine Hälfte der Gleichung in Händen. Der Empfänger ist ohne den Sender überhaupt nichts wert.«
Jack nickte. »Es ist genauso, als reise man mit einem Fernseher zurück in die Zwanziger Jahre, denke ich. Ohne jemanden, der etwas sendet, wäre er lediglich eine besonders teure Nachtlampe.«
»Richtig. Wo also ist der Sender?«
»Am Stadtrand«, erklärte Jack. »Oder vielleicht auch nördlich von hier.«
»Weil das Spielzeugauto ständig in diese Richtung fährt?«
»So müßte es eigentlich sein«, bestätigte er und nahm ihr das Chassis aus der Hand. »›Ziehe dahin, mein Wanderer, aber was suchest du?‹ Erinnern Sie sich noch? Wobei man für Wanderer auch das Wort Rover einsetzen kann.«
Jack stellte das Chassis auf den Fußboden und ließ es über den Teppich rollen, bis es mit dem vorderen Ende gegen die stadtauswärts gerichtete Wand prallte.
»Ich glaube – nein, ich bin sicher, daß das, was der Wagen sucht, der Sender ist.«
»Und was werden Sie jetzt tun? Den kleinen Wagen auf die Fifth Avenue setzen und ihm zum Stadtrand folgen?«
»Nein … ich habe eine bessere Idee.« Er hob das Chassis wieder auf und schaltete den Motor aus. »Gibt es hier so etwas wie einen Hinterausgang?«
»Ja. Fragen Sie Raymond. Er wird ihnen den Weg zeigen.«
»Prima. Dann bis später.« Er blieb an der Tür stehen und drehte sich um. »Hey, ich hätte beinahe etwas vergessen. Wie geht es dem kleinen Jungen – dem mit der Igelfrisur?«
»Hector Lopez?« Alicia wandte den Blick ab, weil sie ihm nicht in die Augen schauen konnte. »Er ist heute morgen gestorben.«
»Oh«, sagte Jack, und es war eher ein Seufzen als ein Wort. »Das tut mir leid.«
»Ja«, murmelte Alicia, wobei ihre Kehle sich zusammenzog. »Er war ein feiner kleiner Kerl.«
Und dann war Jack genauso eilig verschwunden, wie er gekommen war. Die schwarze Plastikkarosserie des Spielzeug-Rovers hatte er auf ihrem Schreibtisch zurückgelassen.
Alicia schluckte, damit ihre Kehle frei wurde, und die Erinnerung an Hector trat in den Hintergrund, als ihr der Schlüssel einfiel, den sie in der vergangenen Nacht zusammen mit dem Spielzeugauto gefunden hatten –
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