Handyman Jack 02 - Der Spezialist
glaubt, daß es nichts Schlimmeres gibt als das, was man gerade vor sich sieht, kommt jemand, der das noch übertrifft.«
Stille am anderen Ende. Schließlich ergriff Jack wieder das Wort. »Wie geht es Alicia? Ist sie okay?«
»Ein bißchen aus den Fugen geraten. Ich glaube, mir ginge es genauso. Seltsam ist, daß sie die letzte ist, von der ich so etwas erwartet hätte – ich meine, sich selbst auf so einen Kerl zu stürzen, ihn mit einem Feuerlöscher zu verprügeln. Sie erschien immer so zurückhaltend, so kontrolliert.«
Ich müßte sie mal dazu bringen, von ihrer Familie zu erzählen, dachte Jack, sagte aber nichts. Julio’s wäre sicherlich der geeignete Ort für eine solche Beichte. Was dort gesagt wurde, blieb auch dort.
Aber er spürte, daß sich in Alicia irgendwelche Dinge aufstauten. Als er ihr bei Julio’s gegenübergesessen hatte, war es ihm vorgekommen, als unterhielte er sich mit einem Klumpen C-4-Sprengstoff. Mit ihrer Haltung erinnerte sie ihn lebhaft an eine durch und durch unzufriedene Postangestellte, die jeden Moment durchzudrehen und mit Stempeln und Briefmarken um sich zu werfen drohte. Aber vielleicht hatte dieser Vorfall auch sein Gutes. Vielleicht hatte sie dadurch genug Dampf abgelassen, so daß er ihr den Plan, das alte Haus ihres Vaters in Brand zu stecken, ausreden konnte.
»Ja«, sagte er so beiläufig wie möglich. »Ich hatte daran gedacht, mal bei ihr vorbeizuschauen und mit ihr zu reden.«
»Dreht es sich um diese persönliche Angelegenheit‹, die sie mit dir besprechen wollte?«
»Könnte sein«, antwortete er neckend. Er wußte, daß Gia wer weiß darum gegeben hätte, zu erfahren, was ihre Dr. Clayton von Handyman Jack wollte, aber niemals offen danach fragen würde.
»Klar«, sagte Gia. »Komm her. Im Augenblick ist zwar ein Detective bei ihr und nimmt ihre Aussage auf, aber ich bin sicher, wenn er fertig ist …«
»Ist schon okay«, unterbrach Jack sie schnell. »Vielleicht später.«
Sie lachte. »Ich wußte, daß du das sagen würdest.«
Jack konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sehr lustig. Wir sehen uns später.«
Er legte auf und ging zurück zur Ecke Thirty-eighth Street, um sich noch einmal das Clayton-Haus und seine liebenswürdigen Nachbarn anzusehen.
Nein. Ein Feuer wäre wirklich keine gute Idee.
8
Kernel Mulhallal erhob sich von seinem Abendgebet, rollte sorgfältig seinen Gebetsteppich zusammen und legte ihn zurück in den Wandschrank. Während er durchs Wohnzimmer ging, wurde sein Blick von dem Katalog angezogen, der aufgeschlagen und mit den Seiten nach unten auf dem Couchtisch lag, aber er wandte die Augen ab. Nicht jetzt. Nicht so bald nach dem Gebet.
Kernel trat ans Fenster und reckte sich, während er hinunterblickte auf die West Seventy-seventh Street fünf Stockwerke unter ihm. Es tat immer gut, diese enge, oft hinderliche westliche Kleidung abzulegen und in eine bequeme thobe zu schlüpfen. Er drehte die schmalen Schultern unter dem fließenden weißen, bis zum Boden reichenden Gewand hin und her, während er den Verkehr beobachtete, der unten auf der Straße vorbeikroch. Alles in dieser Stadt schien im Schnellgang zu passieren – die Art und Weise, wie die Menschen redeten, der hektische Gang ihrer Geschäfte, das atemberaubende Tempo ihres Lebens … aber ihr Straßenverkehr kam nur zentimeterweise vorwärts.
Er wandte sich vom Fenster ab, und sofort richteten sich seine Augen, seine schamlosen, ungehorsamen Augen, auf den Katalog, der ihn magisch anzog. Er kam sich vor, als hinge er an einem Draht, als würde er zum Couchtisch hingezerrt. Langsam ließ er sich auf dem Sofa nieder und starrte auf die glänzenden Umschlagseiten. Der Katalog war an die Wohnung adressiert, nicht an ihn persönlich. Wie der Hauswirt meinte, hatte der Vormieter lediglich eine Nachsendeadresse für persönliche Post hinterlassen. Alles andere wurde an das Apartment geschickt.
»Was Sie nicht wollen«, hatte der Mann ihm erklärt, »können Sie wegwerfen.«
Natürlich. Wie einfach. Aber um es »wegzuwerfen«, mußte Kernel die Post erst einmal durchsehen, um sicherzugehen, daß nichts für ihn bestimmt war. So viele Kataloge trafen im Laufe einer Woche ein. Kauften Amerikaner denn alles per Post? Oft blätterte er sie durch, staunte über die Vielfalt der Waren, die man sich mit Hilfe eines einfachen Telefonanrufs beschaffen konnte, dann warf er sie in den Müll.
Bis auf diesen. Dieser Katalog fesselte ihn. Er konnte sich nicht überwinden,
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