Handyman Jack 02 - Der Spezialist
ihn mit den anderen »wegzuwerfen«. Er war schwach, das wußte er, und er haßte sich für diese Schwäche. Er verfluchte die Hand, die sich ausstreckte und den Katalog umdrehte, und er haßte seine Augen dafür, daß sie den Umschlag anstarrten.
Victoria’s Secret.
»Vergib mir diese Sünde«, flüsterte er, während er ihn aufschlug.
Er spürte das warme Kribbeln in seinem Schoß, als die mittlerweile vertrauten Bilder vor ihm auftauchten. Solch perfektes weibliches Fleisch, und so viel davon den Blicken dargeboten. Ihm war erzählt worden, daß Amerika ein Land des Teufels sei, dekadent bis zum dorthinaus, und dies war sicherlich ein eindeutiger Beweis dafür.
Zu Hause in Saudi-Arabien gab es keine Kabarett-Theater oder Nachtclubs. Wie denn auch? Öffentliche Unterhaltung war eine Sünde. Aber in dieser Stadt gab es einen Überfluß an öffentlichen Plätzen für Unterhaltungszwecke, viele davon überladen mit Sex. Pornographie schien überall angeboten zu werden. Die Bürgersteige waren gesäumt mit Läden, in denen man Bilder und Filme von Leuten jeglicher Rasse und jeglichen Geschlechts kaufen konnte, die miteinander Sex hatten und den unmöglichsten Perversionen frönten. Kein Akt war verpönt oder gar verboten. Doch diese Orte waren sehr leicht zu meiden. Sie warben ganz offen für ihre Ware, und jeder, der sie betrat, wußte, was ihn erwartete.
Die Magazine, die an den Zeitungsständen und in den Supermärkten zum Kauf angeboten wurden, waren nicht viel besser. Völlig harmlos aussehende Magazine boten Backrezepte neben Informationen über zwanzig Methoden, ein erfüllteres Sexualleben zu haben, an. Und in den hinteren Reihen der Auslagen lockten Cover mit nackten Frauen in aufreizenden Posen, mit dem Versprechen, daß im Inneren des jeweiligen Heftes noch freizügigere Bilder waren. Aber auch die ließen sich ohne Schwierigkeiten meiden. Man ging einfach weiter.
Aber dies hier … Victoria’s Secret … kam kostenlos und wurde einem von der amerikanischen Regierung an die Tür gebracht.
Dies war ganz gewiß eine Nation, die dem sicheren Untergang geweiht war.
Während er die Seiten betrachtete, mußte Kernel sich eine Frage stellen: Ist das die Art und Weise, wie alle amerikanischen Frauen unter ihrer Straßenkleidung angezogen sind? Ist das die Art und Weise, wie ihre Ehemänner sie sehen?
Er dachte an seine eigene Ehefrau, seine Nahela, und stellte sich vor, daß sie solche knappen, dünnen Sachen unter ihrer abaaya trug … vor seinem geistigen Auge sah er, wie sie den Saum des wallenden schwarzen Mantels lüftete … und darunter war sie nur mit diesen Sachen dort bekleidet…
Er blickte erneut in den Katalog. Unglücklicherweise würde Nahela nicht so verführerisch wie diese Frauen aussehen. Sie war sechzehn gewesen, als er sie geheiratet hatte, er achtzehn. Nun, nach acht Kindern – fünf prächtigen Söhnen – und zwanzig Jahren, die sie im hareem herumgesessen und importierte Schokolade gefuttert hatte, war sie breit und schwabblig geworden.
Er würde liebend gerne Victoria’s Secret mitnehmen, wenn er nach Hause zurückkehrte … den Katalog als sein Geheimnis aufbewahren. Aber sollte er den Versuch wagen, ihn durch den Zoll zu schmuggeln?
Sein Vaterland hatte als Wächter von Mekka und Medina die heilige Pflicht, alle Gegenstände, die über seine Grenze gebracht wurden, genau zu kontrollieren und auszusortieren. Und es nahm diese Aufgabe sehr ernst. Es konnte nicht anders. Die gesamte islamische Welt schaute zu. Ein Mitglied der Herrscherfamilie, sofern es überaus vorsichtig war, könnte es vielleicht schaffen, aurat-Photos an den Wächtern vorbeizuschmuggeln, aber alle anderen – niemals.
Die Liste von aurat – verbotenen Gütern – umfaßte Schweinefleisch und Alkohol, natürlich, aber auch jede Darstellung eines unbekleideten weiblichen Arms oder Beins oder gar weiblichen Haars war verboten. Was bedeutete, daß die saudische Zollbeamten praktisch jede westliche Illustrierte auf den Flughäfen konfiszierten. Denn sogar Magazine, die sich mit Kochen oder Hauswirtschaft beschäftigten, enthielten Werbeanzeigen, auf denen zuviel entblößtes Fleisch zu sehen war. Kernel wußte, daß dieser Katalog, Victoria’s Secret, als reinste Pornographie betrachtet werden würde.
Er zuckte zusammen, als er ein Geräusch an der Tür hörte. Ein Schlüssel wurde ins Schloß geschoben. Das konnte nur Nazer sein. Panik ergriff ihn für einen kurzen Moment. Niemand – am wenigsten von
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