Handyman Jack 04 - Tollwütig
sofort die Flucht ergriffen.
Jack spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, als er erkannte, dass die Unterlippe der Kreatur durch eine breite Narbe verunstaltet war. Er kannte dieses Rakosh. Narbenmaul. Es war das männliche Rakosh, das Vicky entführt hatte, das Rakosh, das von dem Schiff hatte fliehen können und Vicky beinahe am Ufer eingeholt hätte. Das Rakosh, das Jack beinahe getötet hätte.
Er fuhr sich mit der Hand über die Brust. Selbst durch den Stoff seines Hemdes konnte er die drei langen Streifen ertasten, die quer über seine Brust verliefen, schreckliche Andenken an die Klauen der Kreatur.
Sein Mund war strohtrocken. Narbenmaul… lebte.
Aber wie? Wie hatte es das alles verzehrende Feuer auf dem Wasser überleben können? Wie war es nach Long Island gelangt und in einer reisenden Monster-Show gelandet?
»Oh, sieh doch mal, Fred!«, sagte eine Frau hinter Jack.
»Das ist doch nur ein Mann in einem Gummianzug«, erwiderte eine Männerstimme mit dem Ausdruck absoluter Sicherheit.
»Aber diese Klauen – hast du gesehen, wie sie ausgefahren wurden?«
»Nichts als eine technische Spielerei. Völlig harmlos.«
Glaub das nur weiter, Fred, dachte Jack, während er das Wesen betrachtete, als es sich auf die Knie kauerte und mit den Klauen die Gitterstangen umfasste. Seine gelben Augen musterten Jack drohend.
Du kennst mich auch, nicht wahr?
Es schien, als wollte das Wesen aufstehen, doch seine Beine versagten den Dienst. War es angekettet oder vielleicht sogar verstümmelt?
Der Kassierer erschien, diesmal ohne Strohhut. Er hatte einen kahlrasierten Schädel. Auf diese kurze Distanz schien Jack die Kälte der Augen körperlich zu spüren. Er trug einen stumpfen Elefantenhaken, mit dem er gegen die Gitterstäbe schlug.
»Du bist also doch noch aufgewacht«, rief er dem Rakosh mit rauer Stimme zu. »Du hast offensichtlich deine Lektion gelernt.«
Jack bemerkte, dass das Rakosh zum ersten Mal, seit es die Augen geöffnet hatte, den Blick von ihm löste. Es betrachtete den Mann aus dem Kassenhäuschen.
»Da ist er, Ladys und Gentlemen«, rief der Kassierer und wandte sich an die Schaulustigen. »Jawohl, der einzigartige Sharkman! Der einzige Vertreter seiner Art! Sie können ihn exklusiv bei Ozymandias Oddities betrachten. Erzählen Sie es Ihren Freunden und Feinden. So etwas haben Sie noch nie gesehen – und Sie werden es nie wieder zu sehen bekommen. Das garantiere ich Ihnen!«
Damit hast du absolut Recht, dachte Jack.
Der Kassierer entdeckte Jack, der auf der falschen Seite des Absperrseils stand. »Hören Sie, kommen Sie zurück. Das Ding ist gefährlich! Sehen Sie diese Klauen? Ein Hieb damit, und Sie werden aufgeschlitzt wie eine Tomate von einem Ginsu-Messer! Wir wollen nicht, dass einer unserer Besucher verletzt wird.« Seine Augen sagten etwas ganz anderes, während er Jack mit dem Haken anstieß. »Gehen Sie zurück.«
Jack kroch unter dem Seil hindurch, wobei er Narbenmaul nicht aus den Augen ließ. Nun, da es sich im Licht befand, konnte er erkennen, dass das Rakosh nicht so aussah, als ginge es ihm gut. Die Haut war stumpf und ziemlich blass, da war nichts mehr von dem kobaltblauen Glanz, an den er sich von ihrer letzten Begegnung erinnerte. Das Wesen sah abgemagert, krank aus.
Das Rakosh löste den Blick vom Kassierer und schaute Jack noch einmal sekundenlang an, dann senkte es den Blick.
Die Klauen zogen sich zurück, verschwanden in den Fingerspitzen, die Arme fielen herab, die Schultern sackten nach vorne. Dann machte es kehrt und kroch zurück zur Hinterwand des Käfigs, wo es in der Ecke zusammensank und den Kopf herabhängen ließ.
Es stand unter Drogen. Das musste die Lösung sein. Sie hatten das Rakosh betäuben müssen, um damit umgehen zu können. Trotzdem sah es nicht gesund aus. Vielleicht lag das an den Eisenstäben – Feuer und Eisen waren nämlich die einzigen Dinge, die einem Rakosh etwas anhaben konnten.
Doch ob betäubt oder nicht, gesund oder nicht, Narbenmaul hatte Jack erkannt, erinnerte sich an ihn. Woraus folgte, dass es sich auch an Vicky erinnern könnte. Und wenn es jemals in die Freiheit gelangte, könnte es wieder Jagd auf Vicky machen, um die Aufgabe zu vollenden, die sein toter Herr ihm im vergangenen Sommer zugeteilt hatte.
Der Kassierer schlug mittlerweile wie wild gegen die Gitterstangen, schrie das Rakosh an, gefälligst aufzustehen und sich dem Publikum zu zeigen. Doch die Kreatur achtete gar nicht auf ihn und die Leute spazierten
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