Handyman Jack 07 - Todessumpf
Hand.
»Danke. Es hat mich gefreut, Sie kennen gelernt zu haben. Man könnte Sie zwar als Nervensäge erster Ordnung einstufen, aber ich bin froh, dass mein Dad jemanden wie Sie hat, der seine Privatsphäre bewacht. Mein Hausarzt ist genauso.«
Doc Hargus war natürlich ein völlig anderer Fall. Seine Zulassung war eingezogen worden, daher durfte niemand wissen, dass er überhaupt einen Patienten hatte.
Jack wartete nicht auf die Schwester. Er ließ einen völlig verwirrten Charles Harris, seines Zeichens Doktor der Medizin, zurück und begab sich zum Ausgang der Ambulanz.
Unterwegs achtete er genau auf die Fenster und die Wände – dort vor allem auf die Ecken oben an der Decke – und, als er hinausging, auf den Türrahmen. Keine Alarmkontakte oder Auslösetasten, keine Bewegungsmelder.
Das war ja schon ganz günstig.
10
»Funktioniert sie?«, wollte Luke wissen. »Kannst du etwas sehen?«
Semelee saß auf einer Bank in der Kombüse der Bull-ship. Einige Mitglieder des Clans waren in der Stadt betteln, während andere am Ufer lagen und im Schatten dösten. Sie und Luke waren die Einzigen an Bord. Sie wünschte sich im Stillen, er würde sie endlich in Ruhe lassen und verschwinden und ihr nicht ständig über die Schulter blicken. Aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck, und daher verkniff sie sich eine bissige Bemerkung und redete mit leiser Stimme.
»Lass mir nur eine Minute Zeit, Luke«, bat sie, während sie die eine Muschelhälfte, die sie noch besaß, auf ihrem rechten Auge in Position brachte. »Lass mir ein wenig Spielraum, damit ich versuchen kann, den Vorgang zu starten.«
Mit einer einzigen Muschelhälfte war es so völlig anders. Mit zweien hatte sie sofort alles im Blick gehabt. Mit nur einer jedoch …
Mit nur einer Muschelhälfte fand sie immer noch in die Köpfe höherer Lebensformen wie Dora, aber die niederen Lebensformen … in diese einzutauchen war ja sogar mit zwei Muscheln schwierig gewesen. In deren Gehirnen spielte sich nicht allzu viel ab, und das bedeutete, dass sie sich noch stärker konzentrieren musste. Wenn sie doch nur die andere Muschel hätte.
»Ich könnte ein paar Typen zusammentrommeln, über den Zaun klettern und ihn beobachten. Wir …«
»Sei einfach für einen Augenblick still, okay? Ich glaube, ich schaffe es jetzt.«
»Ja?«
In seiner Stimme konnte sie die Hoffnung, die Spannung hören.
Sie sah keine Möglichkeit, wie sie oder einer ihrer Clanleute ins Krankenhaus hätten schleichen können, um die andere Muschel zu suchen. Aber wenn sie den Sohn des alten Knaben, diesen Mann, der ebenfalls etwas Besonderes und zu ihr geschickt worden war, im Auge behalten könnte, bekäme sie vielleicht heraus, ob er die Muschel gefunden hatte.
Aber erst musste sie hier die Kontrolle zurückgewinnen.
Kontrolle … damals, als Teenager, hatte sie angenommen, ihre Fähigkeiten beschränkten sich nur darauf, durch die Augen der jeweiligen Kreatur blicken zu können, aber sie erfuhr schon sehr bald, dass dies lediglich ein Teil der ganzen Wahrheit war. Die ganze Wahrheit offenbarte sich ihr in ihrem ersten Jahr an der High School, als Suzie Lefferts zu ihr an den Strand kam.
Semelee war damals fast jeden Tag – außer wenn es regnete – zum Meer hinuntergegangen, um ihre Augenmuscheln aufzulegen und mit den Vögeln zu fliegen, zu schweben, zu segeln, und mit den Fischschwärmen zu tauchen und durch die Tiefe zu schießen. Sie konnte sich sogar in eine Krabbe versetzen und über den sandigen Meeresboden wandern. Das waren die einzigen Gelegenheiten, wo sie sich lebendig … frei und ungebunden fühlte … als wäre sie ein Teil dessen, was sie sah, als gehörte sie wie selbstverständlich dazu.
Der Klang einer nur zu vertrauten Stimme, die sie plötzlich von hinten ansprach, holte sie unsanft an den Strand zurück.
»Hier verbringst du also deine ganze Zeit.«
Suzie musste erkannt haben, dass sie Semelee nicht mehr verletzen konnte, dass ihre Hänseleien und Attacken nicht mehr die gewünschte Wirkung hatten. Daher war sie ihr gefolgt, um den Grund zu erfahren.
»Ich dachte schon, du hättest vielleicht einen neuen Freund«, sagte Suzie, »dabei sitzt du hier nur mit diesen dämlichen Muscheln auf den Augen herum. Du warst schon immer eine Verliererin, Semelee, aber jetzt hast du auch noch den Verstand verloren.«
Als Semelee noch nicht einmal die Muscheln von den Augen nahm oder sich die Mühe machte, etwas darauf zu erwidern, geriet Suzie in Wut.
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