Handyman Jack 09 - Das Höllenwrack
sich unten noch bewegten, waren dem sicheren Tod geweiht. Siebenundfünfzig Seelen bei ihrem Schöpfer – oder in Kürze unterwegs zu ihm.
Alles nur sein Werk.
Aber nicht seine Idee, nicht sein Plan.
Francisco blickte zum Himmel. War dies wirklich Gottes Wille? Er wusste, dass sich der Herr durch den Heiligen Vater an die Welt wandte, aber so viele Menschenleben … Was war so schrecklich an der Reliquie unter Deck, dass so viele Menschenleben beendet werden mussten, um sie vor der Welt zu verstecken?
Er blickte wieder aufs Deck. Eusebio stieg über die Gestalten hinweg und kontrollierte den Vormast. Die Sombra benutzte nur zwei Segel, um Fahrt zu machen – das kleine rechteckige Tuch am Vormast und das Lateinsegel auf dem Hinterkastell. Bei nur zwei Mann Besatzung wagten sie es nicht, die Segelfläche zu erhöhen.
Francisco wischte die Tränen weg und gab Eusebio ein Zeichen, das Ruder zu übernehmen. Er verließ den Platz hinter dem großen Rad und stieg in den mittschiffs gelegenen Frachtraum hinunter, um nach der Reliquie zu sehen.
Er fand sie dort, wo er und Eusebio sie hinterlassen hatten, mit einer Ankerkette umwickelt und am vorderen Spant befestigt. Er hatte keine Ahnung, weshalb er sie sich wieder ansehen wollte. Vielleicht war der Grund reine Neugier. Er war froh, dass die Kiste verschlossen war, anderenfalls, so fürchtete er, wäre der Drang, einen Blick hineinzuwerfen und sich anzusehen, was so viele Menschenleben wert war, zu groß gewesen, um ihm widerstehen zu können.
Die schweren Kettenglieder waren noch immer um die kleine Kiste geschlungen und mit Vorhängeschlössern gesichert. Dies gehörte nicht zum ursprünglichen Plan, doch ein Sturm am dritten Tag nach ihrem Auslaufen aus Teneriffa hatte die Sorge in ihm geweckt, dass das Schiff möglicherweise durch einen unglücklichen Zufall unterging, ehe er es an seinen Bestimmungsort geführt hätte. Daher hatten er und Eusebio die Kiste entsprechend beschwert, um dafür zu sorgen, dass die Reliquie, falls die Sombra sinken sollte, ihr ebenfalls bis auf den Meeresboden folgte. Und für immer dort blieb und niemals an irgendeiner Küste angetrieben würde.
Nachdem er sich überzeugt hatte, dass die Kiste für alle Eventualitäten präpariert an Ort und Stelle stand, stieg er wieder hinauf zum Hauptdeck und übernahm den Platz am Ruder.
Nach seinen Instruktionen sollte er das Schiff zwischen den Klippen hindurch bis an den Strand der Teufelsinsel navigieren, die Reliquie an Land bringen und sie dort so tief wie möglich vergraben.
Obgleich sie nur zwei Segel gehisst hatten, machte die Sombra dank des kalten, starken Nordostwindes gute Fahrt. Francisco wünschte sich, dass er nicht ganz so stark wäre. Er hatte einen Wellengang erzeugt, der ein Durchqueren der berüchtigten Riffe der Teufelsinsel um einiges erschwerte. Das Lateinsegel verlieh ihnen mehr Manövrierfähigkeit als ein Rahsegel, und dass es sichere Passagen durch die Riffe gab, davon war er fest überzeugt. Sie zu finden wäre unter allen Bedingungen schwierig. Aber bei diesen schaumgekrönten Wellen …
Er tippte Eusebio auf die Schulter.
»Ist das Beiboot bereit?«
Der ältere Mann nickte und deutete mit dem Finger darauf. »Verpflegung, Wasser, Segel und all unsere Habseligkeiten – es ist bereit und wartet auf seinen Einsatz.«
»Hervorragend. Warum gehst du nicht – «
Francisco prallte gegen das Steuer, und Eusebio wurde gegen die Reling geschleudert, als das Schiff auf ein Riff auflief. Aber es stoppte nicht. Angetrieben von der steifen Brise taumelte es weiter, begleitet von einer ohrenbetäubenden Kakophonie aus knirschenden Korallen und berstendem, zersplitterndem Holz.
»Sie zerbricht!«, brüllte Eusebio.
Francisco deutete auf die Frachtluke im Deck unter ihnen.
»Die Reliquie! Wir müssen sie losmachen!«
Das Deck erbebte unter ihren Füßen, während sie zur Luke stolperten. Die Sombra erschauerte, als würde sie von Schüttelfrost heimgesucht, setzte jedoch ihre Fahrt fort, wenn auch nun um einiges langsamer.
Eusebio kniete sich hin und blickte in den Frachtraum, dann sah er hinauf zu Francisco.
»Sie ist schon halb vollgelaufen!«
Panik schnürte Francisco die Kehle zu. »Zum Boot! Schnell!«
Als sich das Deck unter ihnen neigte – es kippte nach backbord, während der Bug absackte und das Heck in die Höhe stieg –, lösten sie die Halteleinen des Beiboots und kletterten hinein. Nur wenige Sekunden später schaukelten sie auf den Wellen und
Weitere Kostenlose Bücher