Handyman Jack 10 - Der Erbe
keine Gnade zu erwarten, dass er nur noch wenige Minuten zu leben hatte.
Seltsamerweise bekümmerte ihn das nicht so, wie er erwartet hätte. Es war ja nicht so, als würde er eine Frau und Kinder zurücklassen. Und wie man ihm immer wieder erklärt hatte, ein Speer hat keine Äste.
Und dann ging ihm ein Licht auf: Der Verbündete schnitt die Äste von diesem Mann ab und machte einen Speer aus ihm. Miller sah nur einen Grund dafür.
»Dann bist du doch der Erbe.«
Der Kerl nickte niedergeschlagen. »So hat man mir gesagt. Aber genug von mir: Wo ist euer neuer O?«
Miller schüttelte den Kopf und blickte sehnsüchtig auf die Patrone, die nur knapp außerhalb seiner Reichweite stand. Ein paar Zentimeter näher und er könnte sie sich schnappen und sich einen schnellen Abgang verschaffen.
»Ich kann nicht zulassen, dass du ihr auch eine Bombe unterschiebst.«
»Ich will nur mit ihr reden.«
»Wer’s glaubt.«
»Du wirst es mir sagen.«
Miller schüttelte wieder den Kopf. »Das wird nicht passieren.«
Der Mann winkte mit der Glock. »Ich kann dafür sorgen, dass dir deine letzten Stunden sehr lange vorkommen. Wie eine Ewigkeit.«
Folter … Millers Eingeweide zogen sich bei dem Gedanken zusammen. Würde er imstande sein durchzuhalten? Er wusste es nicht. Jeder hatte seine Grenze. Wo war die seine?
Er hoffte, er würde es nie herausfinden.
Er verbarg seine Furcht: »Tu, was du nicht lassen kannst. Ich sage gar nichts.«
Der Kerl seufzte: »Weißt du was? Ich glaube dir.«
Er hob die Patrone auf, als er aufstand und um Miller herum zu seiner linken Seite ging.
»Nimm das nicht persönlich. Es geht nur darum, dass du keine Dummheiten machst.«
Er senkte die gestohlene HK, bis die Mündung nur Zentimeter von Millers linkem Ellbogen entfernt war und drückte ab. Miller schrie – er konnte es nicht unterdrücken – und rollte sich auf den Rücken. In dem Moment schoss ihm der Kerl in den rechten Ellbogen.
Mit dem Fuß rollte er ihn auf den Bauch und durchsuchte dann seine Taschen.
»Da wirst du nichts finden«, presste Miller zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
Es dauerte nicht lange, bis dem Kerl klar wurde, dass das stimmte.
»Geh nicht weg«, sagte er, als er davonschritt.
6.
Scheiße!
Jack verspürte den Drang, gegen etwas zu treten, aber es kam für ihn nicht infrage, das an einem hilflosen Mann auszulassen. Nicht einmal, wenn es sich dabei um Miller handelte.
Er hatte geplant, einen der Yeniceri am Leben zu lassen, um ihn auszuquetschen. Er musste unbedingt herausfinden, wo sie Diana hingebracht hatten. Er musste mit ihr reden. Sie war Gias und Vickys letzte Chance. Wenn sie überhaupt noch eine Chance hatten. Es war ein Akt der Verzweiflung, aber es war wenigstens einen Versuch wert.
Es war Pech, dass Miller jetzt dieser Überlebende war. Jack war sich ziemlich sicher, er hätte einen der anderen zum Reden bringen können, aber er spürte, dass Miller nicht zu knacken war.
Andererseits war es ihm schon wichtig, mit Miller persönlich abzurechnen. Es war ihm ein persönliches Bedürfnis, ihm von Mann zu Mann gegenüberzustehen.
Und das war ihm gelungen.
Millers Taschen waren so gut wie leer gewesen; seine Brieftasche half ihm auch nicht weiter. Jack hatte immer noch keine Ahnung, wo sie ihren neuen O versteckten.
Gut, dann würde er es bei den anderen versuchen. Eine widerliche Aufgabe und auch nicht aufschlussreicher als bei Miller. Das einzig Interessante war ein blaues Dingsbums, das Gold an einer Schnur um den Hals trug. Es war rautenförmig, ein paar Zentimeter lang und trug die Aufschriften PRE-TEC und 8 GB.
Es sah aus wie ein Speicherstick.
Er lief zu seinem Laptop und stöpselte ihn in einen USB-Port. Aber als er das Dateiverzeichnis aufrief, fand er nur Datenmüll. Vielleicht hatte die Explosion den Speicher beschädigt. Vielleicht konnte Russ Tuit damit noch etwas anfangen.
Er steckte den Stick und die Autoschlüssel ein, die er bei Jolliff gefunden hatte. Es gab nur einen Ort, wo er jetzt noch suchen konnte.
Draußen durchkämmte er das Innere des Suburban, leerte das Handschuhfach aus und kontrollierte alle Staufächer. In der Einstecklasche hinter dem Sonnenschutz der Fahrerseite hatte er endlich Erfolg: Ein Hin- und Rückfahrticket der Steamship Authority für ein Auto und drei Extra-Passagiere auf der Fähre nach Nantucket.
Gut. Das half ihm weiter. Das neue sichere Haus war auf Nantucket. Aber wo auf Nantucket? Er wusste über den Ort nicht mehr, als dass
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