Handyman Jack 10 - Der Erbe
Licht vom Armaturenbrett. Er sah den Schnee nicht, aber das leise Prasseln an den Scheiben verriet ihm, dass er da draußen war.
Die Scheibenwischer quietschten über die Windschutzscheibe. Er wollte sie schon ausstellen – hier gab es sowieso nichts zu sehen –, aber dann fiel ihm wieder ein, dass sich das ja bald ändern würde. Das hoffte er jedenfalls.
Er hatte das Gefühl, furchtbar lange unterwegs zu sein. Hatte er die Richtung verloren? Hatte der Sturm den Jeep zur Seite weggedrückt?
Dann sah er einen schwachen hellen Fleck auf ein Uhr – aber nur einen Augenblick lang, als hätte jemand in dichtem Nebel eine Kerze entzündet und sie dann wieder ausgeblasen. Als er die Richtung auf den Punkt zu änderte, wo er ihn gesehen hatte, da blitzte er wieder durch eine Lücke im Schneetreiben auf. Noch ein paar Meter und es war ein konstantes Leuchten.
Yeniceri-Ville. Hier gab es nichts anderes.
Er hielt an und schaltete den Jeep aus. Wenn er den Wagen für die Rückfahrt brauchte, dann konnte er ihn wiederfinden, indem er mit der Fernbedienung die Scheinwerfer einschaltete. Das hoffte er wenigstens.
Er hoffte eine ganze Menge.
Er hatte sich noch einmal alles vor Augen geführt, was Heth ihm über das Anwesen erzählt hatte. Auf Bodenhöhe einzusteigen, brachte ihn nicht weiter, da es von da keinen Zugang zu den Wohnräumen gab. Die einzige Möglichkeit hineinzukommen, war die Tür am Ende der Treppenflucht außen. Er war bereit zu wetten, dass das ganze Haus mit Alarmanlagen bestückt war. Heimlich einzudringen schien ihm unmöglich. Deswegen hatte er sich darauf vorbereitet, das auf die harte Tour zu machen.
Er hatte die beiden HK mit Devastatoren geladen – sogenannten explodierenden Kugeln –, jeweils mit einer Aluminiumspitze und einem Kern aus Bleiazid, der beim Aufprall detonierte. Er hatte sich vergewissert, dass sich in jeder Waffe eine Patrone im Lauf befand. Dann füllte er seine Taschen mit den verschiedenen Spielzeugen, die er mitgebracht hatte. Als er komplett ausgestattet war, setzte er eine Schutzbrille auf, griff sich die weiße Decke und trat in den Sturm hinaus.
Der Wind traf ihn wie eine Faust und trieb winzige harte Schneeflocken auf seine ungeschützte Haut. Gut, dass er an die Brille gedacht hatte. Sein Gesicht fühlte sich an, als werde es sandgestrahlt.
Er griff sich die Decke und marschierte los …
Und erstarrte, als er ein dröhnendes Krachen hörte und spürte, wie eine Erschütterung durch das Eis lief. Er konnte den unscharfen Umriss des Jeeps erkennen, der noch genauso dastand, wie er ihn verlassen hatte. Er sah nirgendwo einen Riss im Eis, aber das bedeutete gar nichts. Er konnte sowieso kaum etwas sehen.
Es war nur ein Geräusch. Vielleicht verschob sich die innere Struktur des Eises, um sich an die zwei Tonnen Auto anzupassen, die darauf standen. Oder vielleicht hörten sich gefrorene Seen und Häfen so an, wenn niemand auf ihnen war.
Wenn im Wald ein Baum umfällt …
Er hörte/spürte ein zweites Krachen durch das Eis dröhnen. Als er zurücktrat, um nach dem Jeep zu sehen, hörte er noch etwas anderes.
Ein Plätschern.
Er zog einen seiner Handschuhe aus und hockte sich hin, um das Eis zu untersuchen. Es war nass. Mindestens ein oder zwei Zentimeter Wasser standen darauf. Und mehr strudelte durch einen schmalen Riss hoch.
Er kämpfte gegen eine Panikattacke an, unterdrückte den Impuls loszurennen, stapfte zurück zum Jeep und kroch wieder hinein. Er ließ den Motor an, legte den ersten Gang ein und setzte ganz langsam zu einer Rechtskurve an … nach Osten … da, wo das Ufer am Nächsten war.
Halt durch, beschwor er das Eis. Halt durch!
Sein einziger Trost war die Annahme, je näher er dem Ufer kam, desto sicherer würde er sein – das Eis in dem flachen Gewässer wäre dicker und tragfähiger. Er musste es nur bis dahin schaffen. Aber wie weit war bis dahin?
Schließlich stieß der Jeep gegen etwas. Er zog die Handbremse an und stieg aus. Er hatte zwar die Scheinwerfer und eine Taschenlampe, wagte aber nicht, die zu benutzen – nicht, wo die Lichter des Hauses links von ihm noch sichtbar waren.
Er ging auf die Knie und spürte angehäuften Schnee. Er grub etwas tiefer und seufzte erleichtert auf, als er Sand fand.
Geschafft.
Er stand wieder auf und sah sich um. Sein ursprünglicher Plan hatte darin bestanden, sich dem Haus von Westen zu nähern. Er wollte daran nichts ändern, also musste er wieder zurück auf das Eis und in einem Bogen auf das Haus
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