Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Handyman Jack - Story-Sammlung

Handyman Jack - Story-Sammlung

Titel: Handyman Jack - Story-Sammlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
Man forschte nach einer Ursache für diese Missbildungen, aber es blieb bei dieser kleinen Gruppe von behinderten Kindern – diesem ›Cluster‹, wie er es nannte. Man ging davon aus, dass einige Mütter neun Monate vorher einem schädigenden Einfluss ausgesetzt gewesen waren, aber egal, was das gewesen war, es war nicht mehr da. Seitdem hat es keine dieser monströsen Missbildungen mehr gegeben. Es hieß, die meisten von denen seien sofort nach der Geburt gestorben.«
    »Nicht alle.«
    »Es spielt aber auch keine Rolle.« Hall stand auf und füllte sich die Tasse aus der Thermoskanne wieder voll. »Irgendwann wird mal jemand ihre sterblichen Überreste finden. Wahrscheinlich liegen die irgendwo da draußen im Sumpfland vom alten Haskins.«
    »Vielleicht.« Wetten würde ich darauf aber nicht. Er hielt die Akte hoch. »Kann ich eine Kopie davon haben?«
     
    »Du denkst, der Gesichtersammler ist ein zwanzig Jahre altes Mädchen?“
    Marthas Gesichtsausdruck zeigte deutlich ihren Unglauben.
    »Kein x-beliebiges Mädchen. Eine Abnormität. Sie muss so schrecklich missgebildet sein, dass sie gar nicht menschlich aussieht. Sie ist in keiner Schule gewesen und wahrscheinlich auch geistig behindert.«
    Harrison war nicht nach Manhattan zurückgefahren. Stattdessen hatte er sich direkt nach Hause begeben, kaum mehr als einen Kilometer vom Rathaus entfernt. Er wusste, die Kinder waren in der Schule und Martha würde allein im Haus sein. Genau das wollte er. Er musste diese ganze Sache mit jemandem besprechen, der empfindsamer war als Jacobi.
    Außerdem hatte das, was er von Captain Hall und aus der Baker-Akte erfahren hatte, seine schmerzhaftesten Erinnerungen wieder an die Oberfläche gebracht.
    »Ein Monster«, sagte Martha.
    »Ja. Äußerlich als Monster geboren, innerlich zu einem gemacht. Aber es gibt da ein anderes missgebildetes Kind, über das ich reden will. Nicht über Carly Baker. Über Annie … Ann Harrison.«
    Martha schluckte. »Diese Schwester, die du gestern erwähnt hast?«
    Harrison nickte. Er wusste, das würde wehtun, aber er musste es tun, musste es loswerden. Es würde ihn in tausend blutige Stücke zerreißen, wenn er es sich nicht von der Seele redete.
    »Ich war neun, als sie geboren wurde. Am 2. Dezember 1968 – eine Woche später als Carly Baker. Dreitausendsechshundert Gramm pures Grauen. Sie sah einem Fisch ähnlicher als einem Menschen.«
    Das Gesicht seiner Schwester war in seinem Gehirn eingebrannt. Kein Wunder nach all den Stunden, die er damit verbracht hatte, dieses abscheuliche Gesicht anzustarren. Nur die Augen waren menschlich. Der Rest sah schrecklich aus. Ein lippenloser Mund, flache Nase, fliehende Stirn, die Finger und Zehen zusammengewachsen, sodass sie eher Flossen als Händen und Füßen glichen. Dazu ein aufgedunsener Körper, bedeckt von einer glänzenden, fleckig-graublauen Haut. Die Arzte hatten gesagt, die Farbe resultiere aus einem Herzfehler, durch den sich arterielles und venöses Blut mischten.
    Ein angewiderter neunjähriger Kevin Harrison hatte ihr den Spitznamen ›Thunfisch‹ gegeben – aber er ließ das nie in Gegenwart seiner Eltern verlauten.
    »Man räumte ihr keine Überlebenschancen ein. Es hieß, ein paar Monate, allerhöchstens. Aber sie starb nicht. Annie lebte immer weiter. Ein Jahr, zwei Jahre. Mein Vater und die Arzte versuchten, meine Mutter dazu zu bringen, sie in eine Klinik zu geben, aber sie wollte davon nichts hören. Annie bekam das zweite Kinderzimmer und sie redete mit ihr und spielte mit ihr und machte ihre Scheiße weg und war einfach die ganze Zeit um sie herum. Die ganze Zeit, Martha!«
    Martha drückte seine Hand und nickte ihm zu weiterzureden.
    »Nach einer Weile wurde es so schlimm, dass es in Moms Leben nichts anderes mehr gab. Sie wich nicht von Annies Seite. Familienausflüge gehörten der Vergangenheit an. Und wenn sie und Dad ausnahmsweise mal ins Kino gingen, dann musste ich bei Annie bleiben. Keinem Babysitter konnte man dieses Kind anvertrauen.
    Unser Leben schienen sich nur noch um dieses Monstrum da im Kinderzimmer zu drehen. Und ich? An mich dachte niemand mehr.«
    »Nach einer Weile begann ich, meine Schwester zu hassen.«
    »Kevin, du musst nicht …«
    »Doch, ich muss! Ich muss dir erzählen, wie das war! Als ich vierzehn war – so alt wie Tommy Baker, als er ermordet wurde – hatte ich das Gefühl, ich würde verrückt. In der Schule bekam ich nur schlechte Noten, aber spielte das eine Rolle? Nein, überhaupt nicht.

Weitere Kostenlose Bücher