Handyman Jack - Story-Sammlung
Du hast diese große Anwaltskanzlei und sonst nichts!«
»Das ist schon verdammt viel!« Jedes Mal, wenn sie sich stritten, kam sie ihm mit diesem Blödsinn. Sie stocherte wirklich gern in seinen Wunden. »Ich bin gerade mal zweiunddreißig und hier in der Stadt bereits eine Legende! Eine verdammte Legende!«
»Und was tust du nach der Mittagspause, du beschissene Legende? Gehst du wieder zum St.-Vincent-Krankenhaus, um dir einen neuen Klienten aus der Gosse zu ziehen?«
»Was soll’s? Meine Klienten sind Penner, glaubst du, das weiß ich nicht? Natürlich weiß ich das. Ich weiß das sogar sehr genau! Aber sie sind geschädigt worden und sie haben ein gesetzlich verbrieftes Recht, dafür voll und ganz entschädigt zu werden. Es ist meine Pflicht …«
»Spar dir das für die Geschworenen oder die Zeitungen, Howie.« Lydias Stimme klang müde und angewidert. Sie raffte ihre Steno-Ausrüstung zusammen und steuerte auf die Tür zu. »Du und Dad … ich schäme mich für euch!«
Und damit war sie zur Tür hinaus.
Howard ließ die Unterlagen auf dem Tisch liegen und ging in sein Privatbüro. Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte schwarze Haar und starrte auf die Wolkenkratzer Manhattans hinaus. Was stimmte mit Lydia nur nicht? War das denn so schwer zu verstehen? Die Masche mit den Kunstfehlern war eine Goldgrube. Es gab da draußen Millionen-Dollar-schwere Klienten, die nicht die geringste Ahnung davon hatten, was sie wert waren. Und wenn er da nicht Zugriff, dann würde es jemand anderes tun.
Er hatte einen langen Weg hinter sich. Er hatte in einer Wald-und-Wiesen-Kanzlei angefangen, dann hatte er sich auf Gewährleistungsrecht spezialisiert. Durch Fernsehspots hatte er viele neue Klienten gewonnen, aber all diese Fälle zusammen hatten ihm nur einen Bruchteil der Prämie seines ersten Kunstfehlerprozesses eingebracht. Da hatte er erkannt, wo seine Zukunft lag.
Vor allem, weil er eine Methode hatte.
Eigentlich war es ganz einfach. Er brauchte nur ein paar gut geschmierte Kontakte in den Krankenhäusern, um zu erfahren, wann eine bestimmte Art Patient entlassen wurde. Einer von Howards Assistenten – früher hatte er das selbst gemacht, aber jetzt ließ er das andere machen – war dann zufällig vor Ort, wenn der Patient das Krankenhaus verließ. Er lud ihn zum Essen ein und wagte dann vorsichtig seinen Vorstoß.
Wobei man gar nicht so vorsichtig vorgehen musste. Der potenzielle Klient war üblicherweise ein Patient der Neurochirurgie, vorzugsweise ein mittelloser Säufer, der in der Notaufnahme des Krankenhauses gelandet war, weil ihm bei einem Raubüberfall oder einer Prügelei um eine Schnapsflasche oder eine Spritze der Schädel eingeschlagen worden war, oder weil er im Vollrausch eine Treppe hinunter oder vor ein Auto gestolpert war. Der Auslöser war gar nicht wichtig, Hauptsache, er war so übel zugerichtet, dass ein Neurochirurg hinzugezogen werden musste, um seinen Schädel und dessen Inhalt wieder ins Lot zu bringen.
»Aber seit der OP ist irgendwas nicht mehr ganz in Ordnung, oder?«
Das war die magische Frage. Die Antwort war fast immer ein Ja. Natürlich stimmte für gewöhnlich mit dem Patienten schon vor der OP so einiges nicht, aber das war kaum zu beweisen. So ein Beweis war nahezu unmöglich. Und selbst wenn der Kandidat erklärte, dass er sich eigentlich ganz gut fühlte, gab es doch so gut wie immer den einen oder anderen gravierenden Schaden, wenn man lange genug nachhorchte, vor allem, wenn man darauf hinwies, dass eine dauerhafte postoperative Beeinträchtigung einen Wert im siebenstelligen Bereich haben konnte, wenn man es richtig anstellte.
Sicher, das waren Penner und Junkies und Taugenichtse, und es war eine Qual, sie länger als ein paar Minuten ertragen zu müssen, aber sie waren Howards Fahrkarte ins Gelobte Land. Sie waren die idealen Kunstfehleropfer. Es war ein Fest, so jemand einem Geschworenengericht vorzuführen. Ihr schlurfender Gang, die blicklosen Augen, die unzusammenhängenden Gedankengänge rührten das Herz des objektivsten Geschworenen. Und weil es sich bei ihnen um Obdachlose ohne festen Job, Freundeskreis oder Bekannte handelte, konnte die Verteidigung nie zweifelsfrei nachweisen, dass sie vor der OP genauso schlurfend gegangen und blicklos mit genauso unzusammenhängenden Gedankengängen gewesen waren.
In den meisten Fällen warfen die Versicherungsexperten einen Blick auf den Anspruchsteller und zückten die Scheckbücher: Besser sofort
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