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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sie nicht weit im Westen der Stadt Vaga waren, an der Straße von Qart Hadasht und Tynes ins Land der Massyler. Das blaugraue Band des Bagradas war am südlichen Horizont zu erkennen.
    Sie folgten einem kleinen Nebenfluß. Der Boden stieg an , wurde steinig. Bei Sonnenuntergang erreichten sie einen grünen Talkessel, in dem viele Zelte standen.
    »Unser Hauptlager«, sagte Naravas.
    Antigonos nickte müde. Er hatte die letzte Nacht auf dem Rücken des Pferds verbracht und nun fast den ganzen Tag – abgesehen von der Zeit am Feuer. Das Reittier war erschöpft und stolperte immer häufiger.
    »Dies hier ist gut zu verteidigen«, sagte Naravas, als sie vor seinem Zelt am Feuer saßen. »Morgen reiten wir den Bagradas abwärts.«
    Antigonos gähnte und trank einen Schluck von dem kalten sauberen Bachwasser. »Wohin, Fürst der Numider?«
    »Bisher haben wir das Hinterland erforscht. Alles, was wir gesehen haben, waren Dörfer, Felder und Städte, die die Söldner unterstützen. Ein paar verbrannte punische Güter, aber das Land blüht. Nun wollen wir sehen, wie es mit Ityke und Hipu steht – und Qart Hadasht. Ob nach der großen Niederlage, die Hanno erlitten hat, deine Voraussage in Erfüllung geht.«
    Antigonos spürte etwas wie eine eisige Hand in seinem Gedärm. Mühsam beherrschte er seine Gesichtsmuskeln. Zum Glück blickte Naravas eben in eine andere Richtung.
    »Ich habe flüchtig davon gehört, Naravas. Daß Hanno große Fehler begangen hat. Weißt du Einzelheiten?«
    Der Massyler nahm einen kleinen Stock, stocherte damit im Feuer herum. »Ja. Aber wieso weißt du nicht… Natürlich. Du bist ja, wie du sagtest, vor ein paar Tagen erst im Hafen von Tabraq gelandet.«
    ›Und so eilig‹, dachte Antigonos, ›daß ich nicht einmal nachgefragt habe.‹ Naravas grunzte. »Ein Narr – Hanno. Er ist losgezogen, mit mindestens hundert Elefanten und an die zehntausend Mann.
    Dazu allem Kriegsgerät von Qart Hadasht – so heißt es. Er hat den Leichtsinn der Söldner bei Tynes ausgenutzt. Sie hatten die Pässe nicht besetzt, am Rand des Isthmos. Mit den Elefanten voran ist er über sie hergefallen, hat ihr Lager überrollt und sie förmlich umgerannt. Sie haben sich, soweit sie noch laufen konnten, auf die Hügel und Berge ringsum geflüchtet.«
    Antigonos nickte ins flackernde Zwielicht. »Und dann hat er wahrscheinlich an seinen libyschen Pächterkrieg gedacht.«
    Naravas kicherte. »Genau dies. Libysche Bauern rennen drei Tage lang, wenn sie einmal damit angefangen haben. Also hat Hanno kehrtgemacht und ist zurück nach Qart Hadasht – wohl um seinen kostbaren Leib zu pflegen. Und die geflohenen Krieger haben sein ungeschütztes Lager überfallen, die Truppen und die Elefanten zersprengt und alles Kriegsgerät erbeutet.«
    »Hamilkars Schule«, sagte Antigonos. »Sie haben von ihm in Sizilien gelernt, sich zurückzuziehen und sofort wieder anzugreifen. Aber sie müssen auch ein wenig geschlafen haben.«
    Naravas gluckste. Mit dem Stock hieb er sprühende Funken aus dem Feuer. »So ist es, Herr der Sandbank. Sie hätten das punische Heer vernichten können. Hanno hat es in den nächsten Tagen wieder eingesammelt und dabei viermal versäumt, die Söldner anzugreifen.«
    Nach längerem Schweigen sagte Antigonos: »Fürst der Massyler, die Augen sind schwer. Ich weiß nicht, warum du einem gefangenen Hellenen die Freundschaft deines Zeltes bietest, aber ich nehme sie gern an. Und bald. Sag mir nur eines – was hast du vor? Mit dir, mit deinen Männern, mit mir?«
    »Meine Männer bleiben hier – bis auf einen kleinen Trupp. Wir werden reiten und sehen, wie die Dinge sind; danach will ich entscheiden, wie mein königlicher Bruder es angeordnet hat. Du reitest mit. Wenn es zum Kampf kommt, erhältst du deine Waffen zurück. Dann wirst du leben oder sterben – wie die Götter es bestimmen.«
    »Du weißt, daß ich nicht gegen Qart Hadasht kämpfen werde.«
    Naravas nickte. Seine Zähne glitzerten, als er Antigonos anschaute. »Ich weiß, Freund Hamilkars. Wenn wir gegen Qart Hadasht reiten sollten, werden deine Hände gebunden. Auch mit gebundenen Händen kann man sterben.«
     
    Die hundert Reiter hatten kein Feuer gemacht und keine Zelte aufgeschlagen. Einige schliefen; andere saßen an Bäume gelehnt, aßen kaltes Fleisch, Brot oder Früchte und unterhielten sich leise. Der bewaldete Kamm am Nordufer des Bagradas, vielleicht zehn Meilen oberhalb der Mündung, erlaubte den Massylern einen weiten Blick in alle

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