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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sie nicht?
    Der Wind wehte noch immer aus den Bergen des libyschen Hinterlands, strich über Fluß und Kamm, dämpfte den Lärm der Schlacht am Bagradas. Ein dumpfes Gemenge von Geschrei, Warfengeklirr, wiehernden Pferden, Zehntausenden von Füßen, das kein Ohr auflösen oder auch nur insgesamt aufnehmen konnte. Antigonos schloß die Augen. Die zweite Landschlacht, der er beiwohnte, und ebenso unentwirrbar wie die erste, damals, vor dreizehn oder vierzehn Jahren, als die Krieger des Königs Ashoka ein Heer von Aufständischen niederrangen und in den großen Fluß hetzten.
    »Hah!«
    Er öffnete die Augen wieder. Naravas deutete auf den Osthang des Waldrückens. Wo er langsam zur Ebene absank , kroch eine Schlange parallel zum Fluß. Der Massyler tanzte auf der Stelle. »Was macht er jetzt? Das sind Hamilkars Schleuderer – doch nicht geflohen. Aber…« Er kniff die Augen zusammen.
    Die Schlange löste sich zu einzelnen Köpfen und Kopfgruppen auf, die keine Körper zu haben schienen. Das hohe Hartgras und die Sträucher am Hang wogten.
    Meldereiter galoppierten zu den Berittenen um Audarido. Die winzigen, weit entfernten Gestalten gestikulierten hektisch. Einer warf die Hände in die Luft. Die Signalbläser ritten ein paar Schritte vor.
    »Das hört keiner«, knurrte Naravas, als die Trompeten quäkten, vom Wind verweht.
    Zwei Numider erschienen unter den Bäumen. Sie blieben auf den schnaufenden Pferden hocken.
    »Fürst«, rief der erste; sein Atem kam stoßweise. »Die Punier …« Er rang nach Luft.
    Die Phalanx der Söldner hatte sich längst aufgelöst. Die massierten Truppenkörper drangen immer schneller vor, wie im Sog der flüchtenden Elefanten, Reiter und Schleuderer. Je schneller und wilder und siegessicherer sie stürmten, umso weniger konnten die Glieder und Reihen geschlossen bleiben.
    »Was ist mit den Puniern?« schrie Naravas.
    »Sie sind nicht… geflohen.« Der zweite Reiter keuchte ebenfalls. »Das war von hier nicht zu sehen, Herr. Nur von der Seite. Die schweren Fußkämpfer…« Er ächzte.
    Der zweite Massyler übernahm. Er atmete nicht mehr so schnell. »Zwei Marschgruppen, hinter den Schleuderern. Jede aus zwei Blöcken. Die Leute von Spendius dahinter, greifen an. Die Elefanten hier vorn drehen um, fliehen. Die Reiter werden zersprengt – zwei Gruppen. Eine Gruppe jagt weg vom Fluß, mit den Schleuderern. Die andere mit den Elefanten durch die Lücke zwischen den schweren Puniern. Kaum sind sie durch, schwenken die Marschgruppen in Linie. Eine schaut nach hinten, die andere nach vorn…«
    Naravas unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Das halte ich nicht aus. Komm.« Er zog Antigonos zu den Pferden. Sie galoppierten durch den lichten Wald, den Nordhang des Kamms hinab, dann nach Osten. Als sie einen kleinen Hügel erreichten, der ihnen Überblick gab, sahen sie das Ende. Und das Gemetzel.
    Hamilkar hatte im frühen Morgen die Mündung des Bagradas verlassen. Die von Itykes Belagerung abgestellten Truppen und die Besatzung der Brückenfestung, vermutlich aus dem Schlaf gerissen, zogen hinter seinen Einheiten her. Mit den Libyern und Sikelioten, die ihm flußabwärts entgegenkamen, nahmen sie ihn in die Zange – eine vierfach überlegene Zange, aus der es kein Entkommen gab. Wie es schien.
    Die heillose Flucht der Elefanten, die zersprengten punischen Reiter, die zur Seite rennenden Leichtbewaffneten – alles war geplant. Nun bildeten die Schleuderer eine Linie, die den Kamm in die Ebene verlängerte und einen Ausbruch der Söldner des Audarido, eine Flucht weg vom Fluß, eine Vereinigung mit der nördlichen Flanke von Spendius’ Kriegern verhinderte. Die Elefanten waren durch eine Lücke zwischen den vier Marschgruppen der schweren punischen Fußkämpfer gerast und mit voller Wucht auf die noch nicht ganz formierten Verfolger geprallt. Eine Hälfte der Reiterei folgte den Elefanten, schwenkte nach Norden, schwenkte erneut und drängte die Truppen des Spendius immer näher zum Fluß. Die andere Hälfte der Reiter jagte flußaufwärts, unterhalb der Schleuderer-Linie, und griff Audaridos aufgelöste Phalanx in der Flanke an. Zwei große Heere, beide in Auflösung und an den Flanken bedrängt, trafen auf die schweren Fußkämpfer Hamilkars, die nach dem Durchstürmen der Elefanten und der Reiter zwei feste Linien gebildet hatten – nach Osten, gegen die von den Elefanten schon halb zertrümmerten Kämpfer unter Spendius, nach Westen gegen die in voller Auflösung anstürmenden

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