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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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der zehntausend verschiedene Trinkgefäße feilbot: Becher aus glattem Leder , Becher aus beschnitztem oder besticktem Leder, gläserne Kostbarkeiten, hauchdünn und in allen Farben des Regenbogens, irdene Pokale, Pokale aus Silber – glatt, verziert, geritzt, getrieben –, Krüge aus Alabaster, ein Krug aus Elfenbein in der Form eines Elefanten, mit gerecktem Rüssel als Tülle, breite Trinkschalen aus halben Straußeneiern. Antigonos deutete Tomyris’ Blicke, bat sie zu warten und ginginden Laden. Der Besitzer war ein zahnloser, pergamenthäutiger Punier, der in seinem Kapuzengewand wie in einer Grotte zu leben schien; Antigonos feilschte nicht, sondern zwang den Preis hinab, als Kenner und Herr der Sandbank. Drei gleichartige Becher, jeder etwa eine Handlänge hoch, versehen mit je vier Löwenfüßchen; abgesehen davon waren die Gefäße kostbar und schlicht, mit feinen geometrischen Schnitzereien am Rand. Alle drei hatte ein punischer Künstler als Ganzes aus Stein geschnitten: Bernstein, Jade und Onyx. Antigonos zahlte, ließ die Becher mit Bast umwickeln und zur Bank bringen.
    »Die Geschenke werden am Hafen auf dich warten«, sagte er draußen zu Tomyris. »Wenn du aufbrichst. Nicht vorher.«
    »Du sollst mir nichts schenken.« Sie stemmte die Hände in die Hüften und starrte ihn kopfschüttelnd an.
    »Gnade der Kypris – wenn du sie nicht willst, nimm sie als Huldigung an die Göttin.«
    Sie lachte und ergriff seine Hand. »Was immer es sein mag, ich werde es schätzen und Aphrodite damit feiern. Und an einen punischen Bankherren denken, der immer eine Ausrede weiß.«
    Auf der Agora bewunderte sie die Steine und Fratzen des viele hundert Jahre alten Ratsgebäudes; nach einem umfangreichen Mittagsmahl in einer der Schänken am Platz ließ Antigonos einen Mietwagen herbeiholen und wies den Fahrer an, über die engen Straßen der Byrsa hinaus in die Megara zu steuern. Die Gärten und Felder der Reichen waren winterlich karg; dank der zahllosen immergrünen Bäume und Sträucher um die hellen alten Häuser war die Fahrt jedoch vielleicht noch beeindruckender für Tomyris, als eine Besichtigung im frühen Sommer es gewesen wäre. Üppiges buntes Wachstum von tausend Pflanzen konnte sie überall in den Ländern am Meer sehen, aber die zurückhaltende, nüchterne, gediegene Pracht der Landhäuser im Winter schien Antigonos einzigartig, und die Kyprerin bestätigte dies durch stummen Genuß.
    Salambua war heimgekehrt. Eine der zahlreichen innernumidischen Fehden hatte sie zur Witwe gemacht; Naravas war im Kampf gegen die Masaesyler gefallen. Mit ihren beiden Kindern – dem achtzehnjährigen Gya und der fünfzehnjährigen Tushtinit – bewohnte sie einen Teil des alten Familienpalasts, beaufsichtigte die Diener und Gärtner und knüpfte Fäden. Die Brüder, die sie kaum gekannt hatten, vertrauten ihr beinahe blind; Antigonos hatte bereits von Bostar gehört, daß Salambua besser und genauer über die meisten Dinge Bescheid wisse als der Rat oder die Leiter der barkidischen Partei – die sich zweimal in jedem Mond in die Megara begaben. Nach seiner Rückkehr aus Italien hatte er sie nur einige Male flüchtig gesehen; zunächst war es ihm schwergefallen, in der nahezu kugelförmigen Frau die schlanke, zerbrechliche Salambua wahrzunehmen.
    An diesem Nachmittag war sie eher düsterer Laune. Es dauerte einige Zeit, bis sie in Gegenwart von Tomyris offen zu sprechen begann.
    »Hasdrubal macht mir Sorgen«, sagte sie, nachdem eine Dienerin frischen Kräutersud gebracht hatte. »Das heißt, nicht er unmittelbar, sondern die Lage, in die seine Abhängigkeit vom Rat ihn bringt.«
    »Inwiefern ist er abhängiger als Hannibal? Hannibal hat ihn doch zu seinem Stellvertreter gemacht, und Hannibal kümmert sich kaum um das, was die beiden Vertreter der Ältesten sagen. Sie sagen auch nicht sehr viel.«
    Salambua stopfte süße fette Gebäckkringel in den Mund , rührte einen großen Löffel Honig in ihren Kräutertrank und blähte die Wangen auf. »Punifef Miffmaff«, sagte sie undeutlich. Dann kaute sie, schluckte und grinste. »Punisches Mischmasch, wie immer. Das Heer wählt den Strategen; der Stratege stimmt seine Handlungen mit den Wünschen des Rats ab. Stratege von Libyen und Iberien war Hamilkar, nach ihm Hasdrubal; seit dessen Tod ist es Hannibal. In den zwischen Rat und Hamilkar beziehungsweise Hasdrubal damals ausgehandelten Abmachungen ist nirgendwo die Rede von einem vollkommen unabhängigen Unterstrategen; mein

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