Hanibal
dem das Leben spritzte. Hasdrubal packte den Unterarm mit der Rechten, preßte ihn zusammen. Mit der Linken zog er seinen Dolch und hielt die Spitze der Klinge vor das linke Auge des Mannes.
»Wer hat euch bezahlt?« Die Stimme klang immer noch beherrscht, leise, scharf, kaum anders als zuvor.
Antigonos riß den Tuchstreifen vom Gesicht des ersten Angreifers, dem die Wucht des Schwertknaufs Zungenbein und Genick gebrochen hatte, drehte den Stoff zu einem Seil und band den Arm des Überlebenden ab.
»Wer?«
Der Mann antwortete nicht. Hasdrubal pfiff durch die Zähne und bewegte kaum merklich den Dolch. Schreiend hob der Verstümmelte die Arme vors Gesicht; eine Mischung von Flüssigkeiten, Fleisch und Glasigem rann die linke Wange herab.
»Wer?«
Das Schreien wurde zu einem dumpfen Jaulen. Hasdrubal nahm den Dolch in die Rechte, zerschlitzte mit einer schnellen Bewegung das Obergewand des Mannes, durchtrennte den Gürtel.
Antigonos wandte sich ab, reinigte seine ägyptische Waffe am Gewand des dritten Angreifers, steckte sie ein, bückte sich, drehte den Leichnam auf den Rücken und versuchte sein Schwert herauszuziehen.
Er hörte ein gurgelndes Gellen, dann wieder die ruhige Stimme Hasdrubals.
»Wer hat euch bezahlt? Du kannst schnell sterben. Oder zehn Tage lang. Sag es.«
»Dem… Demetrios. Demetrios… von Taras.«
»Der Raubvogelkopf? Ah.«
Der Körper schlug dumpf auf die Steine. Antigonos drehte sich langsam um. Hasdrubal hielt den besudelten Dolch hoch und blickte aufs Meer hinaus. Der Frachtsegler, der Mastia verlassen hatte, war noch zu sehen, aber nicht mehr einzuholen.
»Ich habe ihn gesehen, als die Römer zu den Verhandlungen hier waren«, sagte der Hellene heiser. »Und nach Hasdrubals Ermordung. Ich glaube, ich habe ihn auch in Rom gesehen.« Hasdrubal holte tief Luft, steckte drei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. »Ich weiß, wo du ihn noch hättest sehen können, Tiggo.« Er bückte sich und wischte die Klinge ab. »Der redliche Handelsherr Demetrios von Taras, der seit zwanzig Jahren, seit die Stadt hier steht, Geschäfte mit uns gemacht hat, ist einer von Hannos Geschäftspartnern.«
Antigonos blickte von der Klinge des Schwerts, das Hamilkar ihm gegeben hatte, zum beherrschten Gesicht von Hamilkars Sohn.
»Hanno der Finstere?«
»Hanno die Ratte. Hanno der Aasgeier. Hanno der Totengräber von Qart Hadasht. Ja. – Alter Freund, Tiggo: Ich danke dir.«
Durch den Park stürmten Männer der Wachtruppe heran.
»Wofür?«
»Dafür.« Hasdrubal deutete auf die Leichen. »Allein wäre ich nicht mit ihnen fertiggeworden.«
»Ich glaube doch. Außerdem… es ging ja auch gegen meinen Hals.«
»Weil du zufällig hier warst.« Hasdrubal legte die Hände auf die Schultern des Hellenen. »Nicht schlecht für einen Greis, Tiggo. Du solltest dich nicht für älter halten, als du bist.«
Als die Wachmannschaften die Leichen fortgebracht hatten, Park und Burg abriegelten und nach möglichen weiteren Verschwörern suchten, zog Hasdrubal den Hellenen zu den Flamingogehegen.
»Die lieben Tiere. Und auch die anderen, die aufgeflattert sind. Aber ich konnte nicht mehr pfeifen oder rufen, weißt du.« Antigonos nickte. »Sie waren schon zu nah, oder weshalb?«
»Sie meinten, sie können uns überraschen; deshalb konnten wir sie überraschen. Sonst…«
»Was wird mit Hanno?«
»Wir werden nichts beweisen können, Tiggo. ›Demetrios von Taras? Ein Kaufherr, ja, ich handle mit ihm. Aber Freunde, Punier, Landsleutewenn ich gewußt hätte, daß er solche bösen Dinge tut…‹ So ungefähr.«
Es waren angenehme Tage in Iberiens Hauptstadt, mild und meistens trocken. Hasdrubal plante, ordnete, traf Vorkehrungen für das Frühjahr, fast unbehelligt von den beiden Gerusiasten, die in eine Art politische Winterstarre gefallen zu sein schienen. Sie hielten sich in einem abgesperrten Flügel der Burg auf, mit Wein, guten Speisen und jungen Mädchen. Es gab abstoßende Gerüchte über ihre Zerstreuungen.
An den Abenden zog Antigonos oft mit Bomilkar und anderen von der Schwinge durch die Hafenschänken der Inselhauptstadt oder der anderen Teilhäfen an der Bucht; manchmal verbrachte er die Nacht bei der Witwe eines Elfenbeinschnitzers im Handwerkerdorf. Meistens war er jedoch bei Hasdrubal und seiner Frau Ktusha, einer Balliarin von der großen Insel Klumyusa. Sie stammte aus einem Dorf an der steilen Nordwestküste, wo von punischen Siedlern in Jahrhunderten Terrassen
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