Hanibal
eine Gutschrift von siebenhundertfünfzig Talenten Silber, zu verzinsen mit dreieinhalb Hundertsteln im Jahr, oder auszuzahlen nach Wunsch der Sandbank.
Phrynichos rief vier Schreiber herein, die insgesamt acht Ausfertigungen machten. Zum letzten Teil des Geschäfts mußte ein anderer Bankmann zugezogen werden, zuständig für Grundstücke im Besitz oder in der Verwaltung der königlichen Bank. Antigonos kaufte ein zwei Stadien breites und ein Stadion tiefes Stück am Strand von Eleusis. Die östliche Vorstadt entwickelte sich zum Viertel der Reichen, mit Parks und Palästen; der Bodenpreis dort würde sich nach Ansicht der Bankleute innerhalb von fünf Jahren verzehnfachen.
Leise summend wanderte Antigonos zum Geschäftshaus des Amyntas, zwischen Prachtstraße und Heptastadion, dem Damm zur Insel Pharos, der die beiden Häfen voneinander trennte. Der fette Makedone trank Wein und ließ sich von einer dunkelhäutigen Sklavin massieren. Antigonos nickte ihm nur zu, als man ihn vorgelassen hatte. Er genoß es, auf den Händler hinabzublicken.
Natürlich machte der Makedone Geschäfte mit allen , unabhängig von ihrer Herkunft; außerhalb der Arbeit verkehrte er jedoch fast ausschließlich mit Makedonen, ungern mit Hellenen, widerstrebend mit Phönikern oder Puniern, gar nicht mit Juden, Thrakern, Babyloniern oder derlei; und wenn er einen Ägypter sah, schloß er die Augen. Er pflegte ein Riechfläschchen bei sich zu tragen, mit einem Gemisch aus zerstoßenen Gewürzen und Krautern. Daran roch er, wenn der Ägypter ihn verlassen hatte – manchmal auch vorher. Antigonos erinnerte sich sehr deutlich, daß Amyntas oft mit ihm nur über das Riechfläschchen hinweg gesprochen hatte – damals.
Nun zog Antigonos die für Amyntas bestimmte Ausfertigung der Bankvereinbarung aus dem Gürtel.
»Wo ist dein Riechfläschchen, o großer Handelsherr?« Amyntas, immer noch auf dem Bauch, unter den Händen der Sklavin, deutete auf den Haufen kostbarer Gewänder. Mit spitzen Fingern suchte Antigonos darin nach dem Riechbehälter, entstöpselte ihn, goß den Inhalt auf den Boden und ließ das Fläschchen fallen. Es zersprang in tausend Splitter. Dann hielt er dem sprachlosen Makedonen den besiegelten Bankpapyros hin, nickte lächelnd und ging.
Die Hochstimmung verflog in der Abenddämmerung, als Antigonos durch die wirren Gassen von Rhakotis schlenderte.
Das alte Fischerdorf der Ägypter, am Kanal, der den Mareotis- See mit dem Hafen Eunostos verband, mit den kleinen Fischbuden und den düsteren verwinkelten Tavernen, den winzigen überquellenden Häusern der Armen und den belebtesten aller Begegnungsstätten, den Brunnen und Zisternen, dies Rhakotis barg tausend Erinnerungen an Menschen und Dinge und Vorgänge. Der erste Rausch von Wein, der erste Schwindel des Messers und der erste Taumel des Fleischs – Antigonos dachte mit Wärme an die junge Witwe des ertrunkenen Fischers, die ihn so viel gelehrt hatte. Fast ohne es zu wollen ging er zu ihrem Haus.
Er fand es nicht; er konnte es nicht mehr finden. Die Makedonen hatten begonnen, den alten ägyptischen Stadtteil zu heilen und zu bessern, wie sie es nannten – im Osten von Rhakotis waren Häuser und Gassen verschwunden für breite helle saubere Straßen, gepflastert, die einander in rechten Winkeln schnitten, und gesichtslose weiße Käfige, Mietblocks, verwaltet von Sklaven der jeweiligen Besitzer.
Noch immer zornig und betrübt ließ er sich am folgenden Morgen von einem ägyptischen Fuhrmann zum Kanalhafen bringen. Vor einer Uferschänke bildete eine Vielzahl von Bäumen und Sträuchern eine Laube; dort saß er und trank warmes ägyptisches Bier, bis das Boot nach Kanopos ablegte.
Es war leicht, Isis zu finden; fast jeder der zahllosen Gaukler, Musiker, Tänzer und von anderen Darbietungen lebende Bewohner der Stadt des Vergnügens kannte die Sängerin. Noch leichter war es, ohne ein Wort in ihre Arme zu sinken. Sie lebte in einem kleinen Holzhaus, etwas außerhalb des Orts, am Rand eines Palmenwäldchens, an der Mündung des kanopischen Nilarms. Das Haus bestand aus einem einzigen Raum. Draußen zerrte ein später Winterwind an den Palmen und trieb die Gischt der Brecher über den Strand. Drinnen gab es die Wärme der eisernen Kochstelle und die Hitze des Lagers.
Abends begleitete Antigonos Isis zu ihrem Auftritt. Sie hatte noch immer die gleichen Musiker, aber es gab Neuheiten bei der Darbietung. Vor allem ein Lied eines unbekannten hellenischen Dichters
Weitere Kostenlose Bücher