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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Hier nützt dir nichts – auch ein heiliger Ägypter wird nie zum Makedonen.«
    Antigonos hörte die Bitterkeit, sah aber im entspannten Gesicht des Schiffers nichts, was ihr entsprochen hätte. »Du liebst die Makedonen, ja?«
    Der Schiffer deutete nach links. Weit vom Ufer entfernt, von Bäumen umstanden und kaum zu erkennen, standen helle Gebäude. »Siehst du den Tempel? Es ist ein Ort der Zuflucht. Auch ein Mörder kann dorthin fliehen, und niemand darf ihn anrühren. Aber es gibt eine Ausnahme.«
    »Ich weiß – Perser.« Die Nachfahren des alten Herrschervolks, unter dem Ägypten furchtbar gelitten hatte, waren noch immer verhaßt. Sie waren ausgenommen von der Möglichkeit, in Tempeln Zuflucht zu suchen. Antigonos erinnerte sich an einen Fall: Ein Makedone hatte Schulden gemacht und wollte sich der Begleichung durch Flucht entziehen, worauf seine ebenfalls makedonischen Gläubiger ihn als halbblütigen Perser bezeichneten. Der Tempel lieferte ihn aus.
    »Ja, die Perser und ihre Nachfahren. Weißt du, was geschieht , wenn wir wieder selbst Herren unseres eigenen Landes sind? Wir werden Bannkreise um unsere Tempel ziehen; kein Makedone darf eine heilige Stätte auch nur von weitem durch Blicke besudeln. Eher soll meine Tochter von einem Perser geschlachtet als von einem Makedonen gestreichelt werden.«
     
    Fast zwei Jahre hatte Antigonos in Alexandreia zugebracht, danach war er drei Jahre gereist, als Karawanenhelfer mit ein wenig eigenem Geld, später als sehr junger Händler. Nach der Rückkehr aus Indien war er in Alexandreia nur noch ein paar Monde geblieben, vor der Heimfahrt nach Qart Hadasht. Er fand die Stadt kaum verändert – größer, reicher, aber nicht angenehmer. Sein erster Gang führte zum Haus der punischen Händler, eine Straße entfernt vom ummauerten inneren Teil des westlichen Hafens. Es gab dort Platz für ihn, Unterkunft und die Aussicht, ein paar alte Bekannte wiederzutreffen.
    Am Kibotos-Becken sah es aus wie vor Jahren – Schiffe , Arbeiter, Ladebäume. Der Blick auf den großen Westhafen, Eunostos, den Hafen der freudigen Wiederkehr, löste ein Schwirren in seinem Kopf aus – mit dieser Wasserfläche vor Augen hatte er gelernt, gebrochene Zahlen zu berechnen: altägyptische Rechenkunst, der manischen Geometrie der Hellenen so überlegen wie die Klinge dem Ried. Aber der alte Bettler, der ihn dieses Rechnen und dazu die Feinheiten der ägyptischen Sprache gelehrt hatte, war nicht mehr zu finden. Er hatte im Westen der Stadt, nördlich der Nekropolis, in einem Sandloch am Strand gehaust und jeden Tag damit begonnen, daß er das Große Grüne bat, nicht seinen Palast zu überspülen. Der »Palast« war noch da, auch der Blick auf Meer und Eunostos hatte sich nicht verändert, aber niemand wußte etwas von dem alten Mann.
    Es war früher Nachmittag, als Antigonos den östlichen Hafen erreichte, den Königshafen. Kurz vor dem Palastviertel bog er ab, ging durch Hintergassen nach Süden, dann auf der siebzig Schritt breiten, ostwestlich verlaufenden Prachtstraße zum gewaltigen Marmorblock der lagidischen Staatsbank. Er fragte nach dem Oikonomos Phrynichos und wurde von einem Büttel in klirrender Rüstung durch einen Säulensaal geführt, eine Marmortreppe hinauf, einen langen Gang entlang, an dessen Wänden kostbare Teppiche hingen; eine weitere Treppe, noch ein Gang, endlich die Gemächer des Aufsehers für den Handel mit der westlichen Oikumene.
    Phrynichos war etwa vierzig Jahre alt, hatte krauses Haar und trug nur einen schlichten Chiton und Sandalen. Von den oft aufdringlich putz und schmucksüchtigen großen Händlern und Bankherren Alexandreias unterschied er sich noch in einer anderen Hinsicht: Seine Eltern waren aus Athen gekommen, und ein Hellene mußte sehr tüchtig sein, um in der fast ausschließlich makedonischen Führungsschicht des Reichs eine so wichtige Stellung erringen zu können.
    Antigonos zeigte seinen Siegelring und erinnerte an ein Schreiben, mit dem er im späten Herbst sein Kommen angekündigt und bestimmte Fragen gestellt hatte.
    »Ah, Antigonos aus Karchedon, von der Sandbank mit dem netten Symbol.« Der Hellene deutete auf einen Scherenstuhl und ging zur Wand neben der Tür, zog ohne lang suchen zu müssen eine Rolle aus dem überfüllten Regal und setzte sich hinter seinen Arbeitstisch. Rechts und links davon standen Kohlebecken, die den Raum wärmten und räucherten.
    »Alles vorbereitet. Ich hatte mir unter dem Herrn einer Bank in Karchedon

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