Hanibal
Wächter, die Hasdrubal ausgesucht und eingewiesen hatte.
Die Kinder des Barkas lebten geschützt – und einsam. Es gab ein paar Sklavenkinder, mit denen die drei Jungen spielen konnten; der ganze restliche Haushalt bestand aus Erwachsenen. Die siebzehnjährige Salambua hatte längst die Rolle des weiblichen Haushauptes übernehmen müssen. Die zwei Jahre jüngere Sapanibal half, so gut sie konnte, vor allem bei der Erziehung der jüngeren Brüder. Psallo, so lange Hamilkars Sklave und Freund, war in dessen Abwesenheit Herr des Hauses, aber vieles konnte er nicht erledigen – punische Geschäftspartner und Handwerker ließen sich nicht von einem elymischen Sklaven befehligen. Die Jahre hatten ihn nicht milder gemacht; seine Zunge troff noch immer von Gift. Mit den Kindern ging er dagegen seltsam liebevoll um.
Hasdrubal saß mit Memnon hinten auf dem Wagen. Antigonos lenkte und bemühte sich, die tausend Fragen von Bomilkar zu beantworten, Bostars Sohn wollte alles über den Wagen wissen, die Verspeichung, die Federung, die Verarbeitung der verschiedenen Holzarten, die Verzierung der Wagenkanten, die Möglichkeiten, Leder weich oder hart zu machen, Gerb und Färbeverfahren, die Herkunft der Fasern, aus denen Seilmacher die nichtledernen Zügelteile hergestellt hatten, die Qualität und Rasse der beiden Pferde. Memnon interessierte sich für andere Dinge; Hasdrubal war – wie Antigonos mit halbem Ohr hörte – sehr beschlagen, was Pflanzen und Bäume anging.
Langsam ratterten sie über die Ziegelstraße. Der dichter bewohnte Vorort nördlich der Byrsa lag bereits hinter ihnen; sie fuhren zwischen den großen Häusern entlang. Die meisten waren von Hecken oder Steinwällen umgeben. Durch die immergrünen Gewächse schimmerten die Gebäude weiß im Nachmittagslicht.
»Das sind junge Zedern. Echte.« Hasdrubal deutete auf zwei Gruppen von Bäumen, die eine gepflasterte Einfahrt umstanden. »Das Haus von Bodbal dem Reeder; er hat die Schößlinge vor Jahren aus Tyros bringen lassen.«
Der Blick wurde freier. Jenseits des Gartens von Bodbal begannen die einsamen Landhäuser, die großen Nutzgärten und Felder, mit ihren wie zum Abmarsch angetretenen Ölbäumen und Weinstöcken. Die Straße wand sich zwischen Obstbäumen und Bewässerungskanälen. Bomilkars Neugier war für den Moment gestillt; er schwieg und blickte zu den nördlichen Hügeln. Etwas wie Sehnsucht lag auf seinem Gesicht. Bostar, der seßhafteste aller Punier, hatte einen Sohn gezeugt, der eher für die Weite des Meers und die Aufsicht über Schiffsteile geschaffen war als für äs Zählen von Münzen und die Enge eines Bankraums. Der milde Nordwind war voll Salz.
Mago trug nur ein bräunliches Hemd und raste quiekend durch die Säulenhalle. Er saß auf einem Holztopf mit Rädern und erreichte unglaubliche Geschwindigkeiten. Eine fette Libyerin sorgte dafür, daß er nicht auf Treppen oder in Schächte geriet. Der Zweijährige, dessen Geburt Kshyqtis Schoß und Leben erschöpft hatte, schien alle Kraft des Kosmos zu besitzen. Der vierjährige Hasdrubal dagegen war freundlich und still, fast verträumt. Erhielt sich meistens in den Ställen und Gärten auf.
Hannibal sprach inzwischen leidlich Hellenisch. Die dunklen Augen strahlten, als er Antigonos sah. Er legte kurz die Arme um den Hals des Hellenen, dann zerrte er ihn mit sich, um ihm seine neuesten Schnitzereien zu zeigen: kleine Krieger, bunt bemalt, mit fantastischen Waffen und Rüstungen, und drei wunderbar genau getroffene Kriegselefanten mit Türmen für die Bogenschützen und verbogenen Nähnadeln als Stoßmesser auf den Zähnen. Memnon und Bomilkar stürzten sich sofort darauf; als Antigonos den Raum verließ, tobte eine blutige Schlacht.
Salambua und Sapanibal nahmen an der Besprechung teil. Die Töchter des Strategen waren spätestens seit Sizilien daran gewöhnt, wie ihre Mutter zu sie berührenden Entscheidungen hinzugezogen zu werden. Beide trugen einfache Leinentuniken mit breiten, bestickten Hüftschärpen, Sandalen und Armreife aus Elfenbein, dazu Sapanibal eine Goldspange auf der linken Schulter und Salambua ein dünnes Goldkettchen am Hals – sie sahen aus wie schlichte junge Punierinnen, nicht wie die Töchter eines der reichsten und mächtigsten Männer von Qart Hadasht.
Auf dem schweren Tisch aus dunkel gebeiztem Holz standen Krüge mit Wein, Fruchtsäften und Wasser. Sapanibal brachte ein Tablett mit süßem Gebäck. Zwei senkrechte Reihen farbiger Glasscheiben –
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