Hanibal
hellrot, hellblau, hellgrün und hellgelb – neben dem mit Schweinsblase bespannten Fenster sorgten für ein seltsames Zwielicht. Antigonos ertappte sich dabei, daß er die beiden jungen Frauen, die ihm »kleine Schwestern« waren, mit gänzlich unbrüderlichen Augen betrachtete – die beherrschten, fließenden Bewegungen, die schlanken Beine, die feingeschnittenen ovalen Gesichter mit Kshyqtis Backenknochen und dunklen Augen, die geschwungenen Brauen unter dem schwarzen Kraushaar. Er unterdrückte einen Seufzer und beschloß, sich in den nächsten Nächten weniger mit Papierarbeit und bloßem Erholungsschlaf zu befassen.
Qarthalo mochte fünfundzwanzig Jahre alt sein, war groß und sehnig, hatte ein herbes Gesicht und klare, kluge Augen, Er zupfte an seinem weißen Chiton, als er sich nach der Begrüßung auf den riedbezogenen Stuhl am Kopfende setzte.
»Womit fangen wir an?« sagte er.
Hasdrubal goß Wein und Wasser in fünf Becher, füllte seinen mit Fruchtsaft und blickte Psallo an. »Herr des Hauses, gibt es wichtige Probleme?«
Der alte Elymer rümpfte die Nase. »Alle Probleme sind wichtig, sonst wären sie keine. Aber es gibt nichts wirklich Wesentliches zu bereden. Die Jungen gedeihen besser, als man es von hellenisch beeinflußten Puniern annehmen sollte. Ich wäre allerdings dafür, daß Qarthalo zur Vermeidung von Problemen beiträgt.«
Der Offizier kratzte sich den schwarzen Bart. »Hamilkar hat mich auf deine Redeweise vorbereitet.« Er grinste. »Trotzdem weiß ich nicht, worauf du hinauswillst.«
»Aber ich.« Salambua lächelte; ihre Zähne blitzten. »Psallo ist dafür, daß du, o Gast-Herr und Freund unseres Vaters , während deines Aufenthaltes eine Gefährtin haben solltest, um allzu große Nähe zu Pani und mir zu vermeiden.«
Hasdrubal lehnte sich in seinem Scherenstuhl zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. Er blickte zwischen den Schwestern hin und her. »Ah ja. Ja. Nun?«
Qarthalo verneigte sich im Sitzen vor Salambua. »Tochter des Fürsten, dies ist bereits vorbereitet. Es war auch Hamilkars Anweisung.«
Antigonos räusperte sich. »Gibt es weitere Anweisungen, die wir kennen sollten?«
Qarthalo legte die Hände um seinen Becher. »Ja. Der Sold. Dreißigtausend Mann, die seit Jahren die versprochene Löhnung nicht erhalten haben. Es wäre das Sinnvollste gewesen, sie in Lilybaion zu entlohnen und dann gleich in ihre jeweilige Heimat zu bringen. Aber der Rat hat keine Münzen geschickt und auch kein münzbares Metall. Deshalb…«
Hasdrubal schloß die Augen. »Ich weiß«, sagte er fast gequält. »Wir haben es nicht durchsetzen können. Zuerst müssen die Silberberge für Rom gehortet und verschifft werden, dann dies, dann jenes, und ganz zum Schluß vielleicht einmal die Männer, die für uns Fleisch und Blut geopfert haben.«
Qarthalo trank einen Schluck und wischte sich mit dem Unterarm den Mund. »So ist es. Deshalb zögert Hamilkar alles hinaus, deshalb die kleinen Trupps aus Lilybaion.«
»Zwei Überlegungen«, sagte Salambua. »Wie ich meinen Vater kenne. Erstens ist es für den Rat weniger schmerzlich, nach und nach kleine Summen zu bezahlen als einen großen Betrag auf einmal. Zweitens rechnet Hamilkar nicht mit ewigem Frieden zwischen uns und Rom und will die Männer behalten, die unter ihm gekämpft haben und von ihm ausgebildet worden sind.«
Hasdrubal nickte langsam. »Das mag sein. Es wäre auch sinnvoll. Aber…« Er breitete die Arme aus.
Qarthalo blinzelte. »Genau. ›Aber‹.« Er beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Es gibt zwei wichtige Punkte, und ohne sie, sagt Hamilkar und glaube ich, ist die Zukunft finster.«
Sapanibal hob den rechten Zeigefinger. »Der Rat und die Hundertvier«, sagte sie halblaut. »Und Libyen. Nicht wahr? Das waren immer die Punkte, um die seine Gedanken kreisten.«
Qarthalo legte das Kinn auf die verschränkten Hände. »So ist es, ja.«
Hasdrubal betrachtete Sapanibal sehr aufmerksam. »Könntest du das erläutern?«
Die junge Frau lächelte ihm zu. »Natürlich. Alles, was in Qart Hadasht geändert werden muß, bedarf der Zustimmung des Rats und des Gerichtshofs der Hundertvier.«
»Vergiß die Tattergreise nicht«, knurrte Psallo.
»Die Dreißig Ältesten sind die wirkliche Macht«, sagte Hasdrubal. »Aber sie gehören dem Rat an. Weiter, Pani.« Sapanibal warf ihm einen etwas überraschten Blick zu. »Wie du meinst. Mitgliedschaft in Rat und Gericht ist lebenslang; sie endet mit dem
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