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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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Erwachsenenlebens hatte er wegen Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin im Gefängnis verbracht. Er hatte gestanden, Sex mit ihr gehabt zu haben, seine Verteidiger argumentierten jedoch, dass dies einvernehmlich geschehen sei und jemand anderes sie später ermordet habe. Jo hielt es für wahrscheinlicher, dass die Studentin seine Avancen abgewiesen hatte; dass ihn dies in solche Wut versetzt hatte, dass er sie mit unvorstellbarer Brutalität getötet hatte, und die Jurymitglieder stimmten offenbar mit ihr überein. Sie brauchten weniger als eine Stunde, um zu einem Schuldspruch zu kommen.
    Obwohl er ein routinierter Lügner war, kam er mit dem Leugnen des Mordes bei der Bewährungsverhandlung nicht durch. Erst gegen Ende des Prozesses wurde ihm klar, dass er nicht mehr rauskäme, so lange er sich nicht schuldig bekannte. Und jetzt saß er hier, in ihrem Büro, und zeigte so wenig Reue wie jemand, der eine Flasche Milch von der Treppe seiner Nachbarin hatte mitgehen lassen.
    In diesem Augenblick hasste Jo ihren Beruf, hasste alles, was mit Strafrecht zu tun hatte. Aber vor allem hasste sie manipulative Klienten wie Henderson, die es schafften, die Sachverständigen hinters Licht zu führen und dazu zu bringen, sie zu entlassen, während sie es tatsächlich verdient hätten, den Rest ihres verderbten Lebens hinter Gittern zu verbringen. Henderson gehörte zu einer langen Liste von Straftätern, die sie nicht leiden konnte, nicht betreuen wollte – und für die sie ganz sicher kein Mitgefühl aufbrachte.
    Seine Lippen bewegten sich, aber sie hörte ihn nicht. Er redete weiter und weiter, hatte ungemein viel zu sagen. Doch Jo hatte abgeschaltet und merkte erst auf, als er eine plötzliche Handbewegung machte; ihre Augen wanderten automatisch zu dem Alarmknopf an der Innenseite ihrer Schreibtischschublade. Wenn sie ihn jetzt drückte, würden ihre Kollegen im Handumdrehen hier sein. Doch Henderson war nah genug, um sie zu packen, ihr wirklich etwas anzutun. Alles, was sie über ihn wusste, fiel ihr wieder ein.
    Es war Wahnsinn, in ihrem derzeitigen Zustand mit ihm zu sprechen.
    Wieder und wieder sah sie auf die Uhr, zunehmend erleichtert, dass ihre halbstündige Sitzung bald vorüber war. Irgendwie schaffte sie es durchzuhalten.
    Sie sah auf das Notizbuch auf ihrem Tisch.
    Abgesehen von Hendersons Namen war die Seite leer.

10
    Kate Daniels wollte gerade nach Hause gehen, um sich etwas frisch zu machen, als Maxwell auftauchte. Er sah aus, als sei er in Panik. Sie versuchte erst gar nicht, ihre Irritation zu verbergen. Er hatte ein dickes Fell. Jeder Versuch, seine Gefühle zu schonen, wäre reine Verschwendung gewesen.
    »Jetzt nicht, Neil, ich hab zu tun.«
    »Der Super will Sie sofort in seinem Büro sehen.«
    »Schon wieder?« Sie seufzte. »Hat er gesagt, warum?«
    Maxwell schüttelte den Kopf.
    Daniels stürmte die Treppe hinauf, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Maxwell nutzte die Gelegenheit, ihr Hinterteil zu bewundern. Sie brauchte keine Augen am Hinterkopf, um zu wissen, was er tat.
    »Übrigens«, rief er ihr nach, »der Pathologe ist unterwegs.«
    Daniels drehte sich um. »Wen haben wir gekriegt?«
    »Stanton.«
    Sie lächelte. Von allen verfügbaren Pathologen hätte sie sich, vor die Wahl gestellt, Tim Stanton ausgesucht. »Neil, tun Sie mir einen Gefallen. Rufen Sie ihn an und sagen Sie ihm, ich treffe ihn nachher am Tatort. Und wenn Sie schon mal dabei sind, rufen Sie auch Monica Stephens an. Sie erwartet mich in Kürze. Sagen Sie ihr, es täte mir sehr leid, aber ich könne erst später zu ihr kommen. Nur lassen Sie sich, wenn Sie es irgend vermeiden können, nicht auf eine bestimmte Zeit festnageln. Ich weiß nicht, wie lange ich am Tatort brauche.«
    Ein Stockwerk höher betrat sie das Morddezernat und hielt direkt auf den Raum EINSATZLEITUNG auf der gegenüberliegenden Seite zu. Als sie an die Tür kam, bemerkte sie das hochglanzpolierte neue Schild, das noch vor zwei Stunden nicht dort gehangen hatte: DETECTIVE SUPERINTENDENT PHILIP REGINALD BRIGHT.
    Reginald, nanu?
    Daniels lächelte, fühlte sich an ihren Großvater väterlicherseits erinnert. Sie konnte Brights Stimme gedämpft durch die Tür hören, er telefonierte. Sein wütender Tonfall ließ sie dem Himmel danken, dass sie nicht am anderen Ende der Leitung war.
    Sie klopfte leise.
    Ganze zehn Minuten wartete Daniels geduldig darauf, dass Bright sein Gespräch beendete. Als es ihr schließlich zu dumm wurde, steckte sie den Kopf in die

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