Hannah, Mari
Überwachungskameras am Flughafen vornehmen. Und wenn du schon dabei bist, sorg dafür, dass sie sich eine Passagierliste besorgt, um diese Freundin zu identifizieren, Teresa Branson.«
15
Ein Sturm braute sich zusammen, als Jo durch die Tore des Acklington-Gefängnisses hinausging. So dicht an der Küste Northumberlands gab es nur wenig Schutz vor dem beißenden Wind an einem kalten Novemberabend. Sie zog die Schultern hoch, stellte den Kragen auf und eilte zu ihrem Auto.
Bevor sie einstieg, warf sie einen Blick unter und in den Wagen. Das tat sie immer, unabhängig davon, welche Sicherheitsstufe gerade galt. Sie startete den Motor und saß eine Weile da und dachte über den Zwischenfall nach. Die Reaktion des Direktors war beinahe bizarr gewesen; er hatte gefragt, ob sie irgendetwas getan hätte, um eine solche Gewaltreaktion auszulösen, heute oder in der Vergangenheit. Auf welcher Seite stand der eigentlich? Männer wie Woodgate waren Abschaum. Eine Kugel war noch zu gut für die. Sie legte den ersten Gang ein und fuhr los.
Die schmale Landstraße war kurvig und unbeleuchtet, abgesehen von einem Gehöft hier und da. Eigentlich kannte sie die Straße wie ihre eigene Westentasche, doch der Regen, der die Windschutzscheibe entlang floss, nahm ihr die Sicht. Als der Wind Sturmstärke erreichte, wurde das Auto immer wieder von den Böen hin- und hergerüttelt. Während sie an Hecken vorbeifuhr, wurde der Wolkenbruch zur Sintflut. Jo musste sich stark auf die weißen Striche in der Mitte der Straße konzentrieren. Allein die Tatsache, dass sie endlich auf dem Heimweg war, tröstete sie ein wenig. Sie malte sich aus, wie sie Musik anmachen, in einem dampfend heißen Bad versinken, die Welt da draußen ausschließen und einen grauenhaften Tag hinter sich lassen würde.
Und dann?
Dann würde sie mit Kate Daniels sprechen – jemandem, dem sie absolut vertraute, jemandem, der ganz genau wüsste, was zu tun war. Doch leider war es nicht das, was das Schicksal für sie vorgesehen hatte …
Ihre Welt hörte auf, sich zu drehen, als der Baum fiel, den die Scheinwerfer des BMWs gerade erfasst hatten. Sie reagierte sofort, aber es war zu spät. Der Wagen schleuderte heftig von einer Straßenseite zur anderen, überschlug sich ein, zwei Mal und dann flog er – wie in Zeitlupe – durch die Luft, überschlug sich und landete auf dem Dach in einem Graben.
Innerhalb von Sekunden hatte Jo das Bewusstsein verloren.
16
Es gibt keinen schlimmeren Ort als eine Leichenschauhalle in der Abenddämmerung. Der Obduktionssaal stank nach Chemikalien. Stephens’ nackter Körper lag auf einer Platte, umgeben von Menschen in Schutzanzügen. Tim Stanton trug Grün, eine an seinen Ohren befestigte Gesichtsmaske baumelte um seinen Hals. Ein Mitarbeiter des Coroners machte Notizen, während Gewebeproben und blutgetränktes Haar vom Körper abgelöst, beschriftet und datiert wurden. Ein Tatortbeamter machte Fotos.
Auf einer nahegelegenen Bank durchsuchte ein Kriminaltechniker Stephens’ Anzughose. Daniels sah, wie er ein paar Manschettenknöpfe aus massivem Gold aus der linken Tasche holte, in der rechten fand er fünfunddreißig Pence in Münzgeld und ein goldenes Feuerzeug. Er tütete die Gegenstände zur genaueren Untersuchung ein und notierte sie auf seiner Liste.
Als sie sich wieder der Leiche zuwandte, blieb ihr Blick an der Rolex aus massivem Gold hängen, die Stanton von Stephens’ linkem Handgelenk abnahm. Die Quittung dafür hatte sie erst vor drei Monaten in der Hand gehabt, als sie einen Karton mit alten Unterlagen durchgesehen hatte. Das Bild war so stark, dass sie Stantons Stimme kaum hörte, als er seine Beobachtungen in ein Mikrophon sprach, das über dem Tisch hing.
»Ausgedehnte craniale Verletzungen durch die Schusswunde«, sagte er. »Gesichtszüge verformt durch mehrere Brüche des Schädels infolge des Aufpralls der Kugel. Keine weiteren äußeren Anzeichen sichtbar, abgesehen von einem leichten, frischen Hämatom, das wahrscheinlich von einem Sturz herrührt …«
Daniels Blick wanderte zu dem massiven Ehering am Ringfinger von Stephens’ linker Hand, während sie darüber nachdachte, welche Abfolge von Ereignissen zu seinem Tod geführt haben mochte.
»Was vom Hirn noch übrig ist, zeigt unter Dissektion keinerlei Krankheitsanzeichen.« Stanton arbeitete sich weiter durch seinen Bericht, seine Stimme absolut neutral. »Knöcherner Teil der linken Augenhöhle, Nasenrücken disloziert, auf der linken Seite des
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