Hannah, Mari
Schädels massive Blutung.«
Er nahm das Skalpell und begann mit dem Y-Schnitt. Daniels blinzelte nicht, als er ins Fleisch schnitt. Auch wenn es in den ersten Jahren ihrer Laufbahn vom Magen her schwer zu verkraften gewesen war, hatte sie gelernt, unbeteiligt zu bleiben, wenn sie Obduktionen beobachtete. Ja, sie fand den Prozess der Dissektion eines Leichnams sogar faszinierend, was andere Leute nicht zu verstehen schienen. Obduktionen konnten ihr Dinge sagen, die sie mit anderen Mitteln niemals herausfinden würde, sie lieferten präzise Fakten, die sich im Gerichtssaal schon oft als entscheidend erwiesen hatten.
Daniels fragte sich, ob irgendjemand in der Station schon etwas von Jo Soulsby gehört hatte. Sie hatte DC Andy Brown gebeten, noch einmal bei ihr zu Hause vorbeizugehen, und ihn angewiesen, sie über das Ergebnis zu benachrichtigen. Daniels zog ihr Handy heraus. Brown hatte eine SMS hinterlassen – Jo hatte sich noch nicht gemeldet. Daniels ließ das Telefon zurück in die Tasche gleiten und dachte über die letzte Ermittlung nach, bei der sie und Jo zusammengearbeitet hatten. Jo Soulsbys Unterstützung hatte sich als unbezahlbar erwiesen – auch wenn Bright darauf bestanden hatte, dass er den Täter auch ohne sie gefunden hätte.
Daniels seufzte. Sie würde für ihren Chef über glühende Kohlen gehen, aber er konnte ziemlich streitsüchtig sein, wenn er wollte. Und jetzt sollte er nur nicht meinen, sie hätte nicht bemerkt, dass er da oben auf der Zuschauergalerie herumschlich. Seine Gegenwart irritierte sie, aber sie war sicher, dass er ihre Autorität nicht vor aller Augen unterminieren würde. Sie hoffte es zumindest.
»Ich kann Ihnen abschließend sagen, dass das Opfer ein gesunder Mann ohne Anzeichen von natürlichen Krankheiten war, die seinen Tod beschleunigen oder hätten herbeiführen können.« Stanton kam jetzt zur Zusammenfassung. Er streifte seine blutigen Handschuhe ab und ging zu einem Edelstahlwaschbecken, drehte einen Hahn auf und schrubbte sich die Hände, bevor er sich ein Glas Wasser einschenkte. Auf dem Weg zurück zwinkerte er ihr zu, um sie wissen zu lassen, dass sie immer noch die Leitung hatte; ihm war offenbar bewusst, dass Bright oben über eine Audioanlage mithören konnte.
Sie wusste die Geste zu schätzen.
»Der Tod wurde zweifellos durch multiple Kopfverletzungen, verursacht durch eine einzelne Schusswunde, herbeigeführt. Ein Schuss durch den linken Stirnlappen. Ein guter Schuss, muss ich sagen. Ich schätze, dass er stand. Die Waffe – eine kleine, aber effektive Feuerwaffe, Kaliber unbekannt, bis die vom Labor ihre Arbeit abgeschlossen haben.«
»Sind Sie immer noch der Meinung, dass er kaum eine oder keine Chance hatte, sich zu verteidigen?«
Stanton nickte. »Und ganz sicher keine Überlebenschance, nachdem er so präzise getroffen worden war. Wollen wir eine Teepause einlegen?«
»Ich kann leider nicht, Tim«, sagte Daniels.
Stanton war enttäuscht. »Irgendwann anders vielleicht?«
»Bestimmt.«
Daniels verließ das Gebäude schnell, lief beinahe die Treppen hinunter. Sie erreichte Bright gerade noch, als er zur Hintertür der Leichenhalle hinauseilen wollte.
»Chef, ich muss mal kurz mit dir sprechen.«
Bright blieb stehen und drehte sich zu ihr um. »Die Obduktion hat uns nichts gesagt, was wir nicht schon gewusst hätten, oder?«
»So ungefähr könnte man es zusammenfassen.«
»Ein Profi?«
»Möglich.«
»Todeszeitpunkt?«
»Zwischen elf und Mitternacht, vielleicht etwas später, genau wie wir dachten.« Sie machte eine Pause. »Oh, und er hatte kürzlich Sex.«
»Der Glückliche.«
Daniels reagierte nicht auf seine zynische Bemerkung. Sie wusste, dass der arme Kerl seit dem Unfall keinen intimen Kontakt mehr zu Stella gehabt hatte. Ihre Beziehung würde nie wieder eine eheliche sein. Er war jetzt ihr Betreuer, nicht ihr Mann, eine unerträgliche Situation für beide.
Daniels trat beiseite, als ein Leichenwagen mit einer Geschwindigkeit auf den Parkplatz fuhr, die sie angesichts seines Passagiers für unpassend hielt. Er parkte nahe der Hintertür der Leichenhalle. Zwei Männer stiegen aus, luden eine Leiche ab und verschwanden dann im Inneren des Gebäudes.
Brights Wagen war nirgendwo zu sehen.
»Kann ich dich irgendwohin mitnehmen, Chef? Wir können unterwegs reden.«
Bright schüttelte den Kopf, während er auf ein zweites Auto zeigte, das herankam. Er begrüßte den Fahrer mit einer Handbewegung, während dieser auf einen freien
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