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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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Platz neben dem Leichenwagen fuhr.
    »Gibt’s schon irgendwelche Ergebnisse von der Hauszu-Haus-Befragung?«, fragte er.
    Daniels schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen, Chef, ich hab alles unter Kontrolle.«
    »Ich wusste, dass du das schaffen würdest«, sagte er und betrachtete sie stolz.
    Sie wollte ihn fragen, warum er ihr wie ein Schatten folgte, ihm sagen, wie seine Einmischung sich für sie anfühlte. Dann besann sie sich eines Besseren: »Kannst du mir sagen, warum der ACC mich an diesem Fall haben möchte, wenn er doch schon meinen Anblick kaum ertragen kann?«
    Bright ging zu seinem Wagen und stieg ein, dann kurbelte er das Fenster herunter. Daniels warf einen Blick auf den Fahrer, wusste aber, dass sie in seiner Gegenwart nicht argumentieren oder gar widersprechen konnte.
    »Dann lassen Sie mich zumindest an beiden Fällen arbeiten, Chef. Sarahs Mörder ist immer noch da draußen. Wir wissen beide, dass er wieder töten wird.«

17
    Er starrte auf die Schere, die er benutzt hatte, um die Gesichter der Toten auszuschneiden, und dachte darüber nach, wie leicht es gewesen war.
    Seine Mutter hatte ihm eingeschärft, niemals Fremden die Tür zu öffnen. Falls die ihre das Gleiche getan haben sollte, so hatte sie eindeutig nicht darauf gehört.
    Jennys Gesichtsausdruck hatte sich von freundlicher Neugier in schieres Entsetzen verwandelt, als er die Waffe gezogen hatte. Warum sie so überrascht war, konnte er sich kaum vorstellen. Hatte sie denn nicht gewusst, dass er kommen würde? Hatte er sie das denn nicht spüren lassen? Indem er sie beobachtet hatte. Sie verfolgt hatte. Sie beinahe zu Tode geängstigt hatte.
    Es gefiel ihm am besten, wenn sie Frauen waren.
    Und am allerbesten war es gewesen, als sie angefangen hatte, zu betteln …
    Wie ein Hund.
    Augen wie Untertassen, als sie vor ihm zurückgewichen war, anfangs schreiend, dann um Gnade bittend, ihn anflehend. Tränen waren ihr über die Wangen gelaufen. Sie war deutlich gealtert im Vergleich zu dem Foto, das er, so lange er denken konnte, angestarrt hatte; das braune Haar war zu einem verwaschenen Grau ausgeblichen, sie hatte Falten um den Mund, wie ein Katzenarsch, hässliche dünne Lippen, die ihn nicht mehr anlächelten, wie sie es so lange getan hatten.
    Und dann?
    Dann begann sie sich zu beruhigen, versuchte, mit ihm zu reden, er solle aufhören, solle sich überlegen, was er da eigentlich täte – sie appellierte an das Gute in ihm.
    Uups! Da gab’s ein kleines Problem.
    Also hatte er die Waffe erhoben und sie ins Visier genommen. Und, das musste er ihr zugestehen, sie hatte sich gefügt wie das brave kleine Opfer, das sie war – genau wie er es vorausgesehen hatte –, bis er den Namen seiner Mutter erwähnte, und es ihr zu dämmern begann.
    Arme, liebe Jenny.
    Das würde sie lehren, sich ihre Freunde sorgfältiger auszuwählen.
    Vor seinem geistigen Auge sah er sie noch so, wie sie immer ausgesehen hat. Nicht so, wie sie aussah, als er sie verließ, bedeckt von ihrem eigenen Blut, mit einer Karte, die aus ihrem Katzenarsch herausragte, tote Augen, die immer noch in seinem Gesicht die Antwort auf eine Frage suchten, die zu stellen ihr nicht mehr vergönnt war: Was hatte sie denn nur getan, um ein so trauriges Ende zu verdienen?
    Seltsamerweise hatte es ihm bei der ganzen Sache die größte Befriedigung verschafft, ihr genau das nicht zu sagen.

18
    Abgesehen von verschiedenen Einsatzfahrzeugen war die Landstraße leer. Der Nachthimmel wurde von blauen Lichtblitzen erhellt, während ein umgestürzter Baum mit Hilfe eines Krans von der Straße geräumt wurde. Ein bis auf die Haut durchweichter Rettungssanitäter tat sein Bestes, um dem eingeklemmten Unfallopfer zu helfen. Auf der anderen Seite des Fahrzeugs arbeitete ein Feuerwehrteam unter Hochdruck daran, die Tür aufzuschneiden. Ihre Arbeit wurde erschwert durch den wirbelnden, böigen Wind, der immer wieder heiße, rotglühende Metallsplitter in die Luft stieben ließ.
    »Sprich mit mir, Mädchen.« Der Sanitäter beugte sich durch das zerschmetterte Fenster des auf dem Dach liegenden Autos. »Kannst du mich hören?«
    Jo konnte sich nicht bewegen. Ihre Arme – oder waren es ihre Beine? – weigerten sich, ihr zu gehorchen. Sie musste wieder einen von diesen Träumen haben, in denen sie sich fühlte, als sei sie wach, obwohl sie in Wirklichkeit schlief. Träume, deren Bilder einfach keinen Zusammenhang ergaben. In denen sie – ganz gleich, wie sehr sie sich mühte – ihre Augen

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