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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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war nicht weit. In weniger als fünfzehn Minuten würde sie dort sein, zumindest, wenn die Autofahrer vor ihr endlich mal in die Gänge kämen, anstatt langsam auf und ab zu fahren, um die Miezen abzuchecken.
    Die Osborne Road hatte sich verändert in den letzten Jahren. Überall waren Bars entstanden, viele gehörten zu großen Hotels. Alle hatten sie Sitzplätze auf dem Gehweg direkt an der dreispurigen Straße. Alle hatten sie coole Namen: Blanc, Bar Polo, Osbornes, Spy, Bar Berlise. Für die Gäste wurde bestens gesorgt: hohe Tische, Heizpilze, Windschutz – was auch bitter nötig war angesichts der wenig angemessenen Kleidung in einer kalten Winternacht.
    Trotz des rauen Schnurrens der Fazer drangen anschwellendes und abflauendes Gelächter und Musik an Daniels Ohr, während sie langsam um eine Gruppe Jugendlicher herumfuhr, die die Straße ohne die gebotene Vorsicht überquerten. Wenige Minuten später bog sie an einer Ampel links ab, hielt dann gerade auf den Blue-House-Kreisel zu, umging den Town Moor, bevor sie Richtung Westen fuhr.
    Fünf Minuten später erreichte sie ihr Ziel und parkte das Motorrad direkt gegenüber dem Haupteingang des Newcastle General Hospital. Sie stieg weder ab noch schob sie das Visier ihres Helmes hoch, sondern saß einfach auf der Maschine und beobachtete das nahe Tor. Es dauerte nicht lange bis sie Tom Stephens’ zerbeulten VW entdeckte, in dem die beiden Brüder saßen.
    Daniels startete ihr Motorrad und fuhr los. Sie nahm den gleichen Weg zurück und erreichte Jos Haus in der Hälfte der Zeit. Es lag in vollkommener Dunkelheit. Mit einer Fernbedienung öffnete sie die Garage, fuhr hinein und machte den Motor aus. Sie stieg ab, zog den Reißverschluss ihrer Jacke auf und holte eine Taschenlampe hervor.
    Die Handschuhe ließ sie an, als sie das Haus betrat.
    Es gab Anzeichen dafür, dass Tom und James hier gewesen waren: stehen gelassene Teller auf dem Küchentisch, eine aufgeschlagene Zeitung mit einem Bericht über Alan Stephens’ Tod. Daniels bewegte sich rasch durch das Haus, mit klopfendem Herzen, voller Angst, dass sie entdeckt werden könnte. Wenn sie dabei erwischt wurde, wie sie hier herumschnüffelte, hätte sie mit Sicherheit einiges zu erklären. Doch sie drang mutig weiter vor und versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie gute Gründe für ihr unbefugtes Betreten hatte – angeblich tat sie es, um Jos Unschuld zu beweisen, obgleich sie nichts anderes zu finden erwartete, als das, was alle erwarteten.
    Sie fand nichts Unerwünschtes.
    Als sie in die Küche zurückkehrte, sah sie sich noch einmal gründlich um. Sie machte den Mülleimer auf und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Da sie kaum etwas erkennen konnte, nahm sie die Schnipsel eines zerrissenen Fotos heraus und legte sie auf den Küchentresen. Zusammengelegt ergaben sie ein Bild von Alan Stephens. Mit einem hohlen Gefühl im Bauch sammelte sie die Schnipsel wieder ein und warf sie zurück in den Mülleimer, stieg auf ihr Motorrad und fuhr davon.

48
    Er verbarg sich draußen in der kalten Nachtluft, reglos wie eine Statue, den Kopf leicht in den Nacken gelegt lugte durch die dünne Glasscheibe im mittleren Teil der Tür und versuchte zu verstehen, was er da hörte. Die gedämpfte Stimme von jemand anderem in der Wohnung? Nein. Ein Radiosprecher, leise Musik.
    Die Luft war rein.
    Jamil Malik lag schlafend auf dem Sofa, nur eine kleine Lampe, die ein schwaches Licht verströmte, zur Gesellschaft. Die Vorfreude fühlte sich fast wie sexuelle Erregung an. Er hatte lange genug gewartet. Lautlos drehte er den Knauf, drückte die Tür auf, während sein Herz schneller schlug, seine Hände feucht wurden, seine Augen fest auf das Objekt seiner Begierde gerichtet waren. Er trat über die Schwelle und richtete dabei den Lichtstrahl direkt auf Jamil Maliks Gesicht.
    Der Mann setzte sich auf, schirmte die Augen mit der Hand ab, seine Stimme war kaum hörbar.
    »Was wollen Sie? Verlassen Sie sofort mein Haus!«
    Er senkte die Taschenlampe, zog seine Waffe und berührte mit dem Lauf Maliks Lippen, um den Wichser zum Schweigen zu bringen. Es funktionierte. Auf ein erschrecktes Luftholen folgte ein ununterdrückbares Schluchzen, und ein feuchter Pissfleck breitete sich rund um Maliks Schritt aus.
    Er bedeutete ihm, sich auf den Boden zu knien.
    Malik tat, was ihm gesagt wurde, legte die Hände aneinander und flehte um sein Leben, als eine Reiseuhr auf dem Kaminsims Mitternacht schlug.
    Perfekt.
    Sein

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