Hannahs Entscheidung
mir leid.« Mit einem, wie er hoffte, bedauerlichem Achselzucken stand er auf, um sich ein paar Schritte zu entfernen. »Hey, Mom. Wie geht’s?«
»Sam, mein Junge. Schön, dass ich dich erwische.« Emilia Parker machte eine kleine bedeutsame Pause. »Hör mal, es ist schon eine Weile her, dass wir uns gesehen haben. Was hältst du davon, wenn ich heute Nachmittag nach Green Acres auf einen Plausch vorbeischaue?«
Autsch. Normalerweise freute er sich über Emilias Besuche, aber diesmal gefiel ihm ihr Vorschlag aus bestimmten Gründen ganz und gar nicht. Unter keinen Umständen wollte er, dass seine Mutter auf Hannah traf und möglicherweise falsche Schlüsse zog. Es wäre zu kompliziert, ihr die ganze Angelegenheit bis ins kleinste Detail zu erklären. Und das müsste er, denn er war sich sicher, dass Emilia etwas wittern würde, was überhaupt nicht vorhanden war. Sie hatte ihm oft genug gestanden, dass es ihr innigster Wunsch wäre, wenn er wieder eine Frau finden würde, mit der er glücklich sein könnte. »Mom, du weißt, normalerweise immer gern. Es ist nur so«, er knetete sein Kinn und registrierte dabei, wie Tayanita ihn vom Tisch aus musterte, »dass es heute nicht passt. Ich – äh – wie wäre es nächste Woche?«
»Nächste Woche?« Erstaunen und leise Empörung schwangen in Emilias Stimme mit. Sam hatte sie so gut wie noch nie abgewiesen. Sie war es gewohnt, auf Green Acres ein willkommener Gast zu sein. »Was in aller Welt könnte so wichtig sein, dass du deiner Mutter verwehrst, auf einen Tee vorbeizukommen?« Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge.
»Mom, es tut mir wirklich leid«, erwiderte er unbehaglich. »Ich rufe dich an, sobald ich Luft habe. Versprochen.« Eine Grimasse ziehend verstaute er das Handy in der Gesäßtasche.
Zu seinem Leidwesen schnitt Tayanita das Thema Hannah noch einmal an. Er hatte sich zu früh gefreut.
»Also sag schon, Sam. Was hat Hannah dir getan, abgesehen davon, dass sie dir eine harmlose Beule in deinen kostbaren Land Rover gefahren hat?«
»Sie bringt alles durcheinander«, brummte er, bevor er sich stoppen konnte. An ihm nagte das schlechte Gewissen, weil er seiner Mutter einen Korb gegeben hatte. Möglicherweise hatte er überreagiert, aber nun war das Kind in den Brunnen gefallen.
»Durcheinander? Wie meinst du das?«
Sam nahm einen Schluck aus seiner Tasse, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Kann sein, dass ich ein Problem mit Miss Panik habe. Ich reagiere eben allergisch, wenn sich jemand hysterisch verhält.«
»Sie hat es gerade nicht leicht, Sam. Sie hat etwas Schlimmes durchgemacht.«
»Haben wir das nicht alle irgendwie?« Ihm war bewusst, dass er sich wie ein trotziger Junge aufführte, aber was zum Teufel konnte Hannah Mulligan schon Übles zugestoßen sein? Sicher war ihr Leben nicht in einer einzigen schrecklichen Sekunde zerstört worden. »Sie ist nicht die Einzige, die schlechte Erfahrungen gemacht hat«, meinte er hart. »Deshalb muss sie trotzdem nicht wie ein kopfloses Huhn …« Wohl ahnend, dass er ungerecht urteilte, brach er ab. Ärgerlich runzelte er die Stirn. »Hör zu. Ich helfe gern aus, wenn sie für ein paar Tage auf Green Acres unterschlüpfen möchte. Aber ich eigne mich weder als Babysitter noch als Seelsorger für diese junge Dame.«
»Das verstehe ich, Sam«, entgegnete Tayanita sanft. »Ich hatte irgendwie gehofft, ihr zwei könntet …«
»Freunde werden?« Sam spuckte seinen Kaffee fast wieder aus. »Wolltest du das etwa sagen?«
»Sie könnte einen Freund gut gebrauchen. Denn es ist so, Sam, Hannah …« Tayanita betrachtete ihn einen Augenblick, dann schüttelte sie leicht den Kopf. »Entschuldige.«
»Ma’am? Könnten wir bitte bestellen?« Ein paar Neuankömmlinge winkten Tayanita zu sich.
»Ich komme«, rief sie, nahm ihre Tasse auf und schob den Stuhl zurück. »Wir sprechen ein anderes Mal weiter, Sam.«
Sam trank den Rest seines Kaffees ohne Genuss. Wenig später stand er auf und verließ das Café, bemüht, jeglichen Gedanken an Hannah Mulligan im Keim zu ersticken.
*
Hannah spitzte die Ohren, als sich die Haustür knarrend öffnete und ins Schloss fiel. Kam Sam schon zurück? Schritte näherten sich durch den Flur. »Hallo! Jemand zu Hause?« Die Stimme war weiblich.
Hannah legte die Tageszeitung aus der Hand. Einen Moment später sah sie sich einer zierlichen blonden Frau gegenüber.
Die Fremde streckte eine Hand aus. »Sie müssen Hannah Mulligan sein.« Sie
Weitere Kostenlose Bücher