Hannas Entscheidung
Wahrheit nicht ins Gesicht gesehen.«
»Wer steckt hinter all dem?«
»Mein Stiefvater, Armin Ziegler.«
»Aber der ist auf freiem Fuß! Wie kann das sein, wenn er hinter all dem steckt?«, warf Sofie ein.
»Weil er geschickt ist. Aber ich bin lernfähig und werde diesmal dafür sorgen, dass er sich nicht herauswinden kann.«
»Du solltest vorsichtig sein bei Marie.«
»Das werde ich. Was ist jetzt mit euch?«
Das Ehepaar Winter sah sich an und lächelte. Harry wandte sich zu Hanna. »Keine Sorge, wir haben einen Platz, wo uns keiner so schnell findet.«
»Und?«
Hanna stieg ins Auto und fuhr los, ohne ein Wort mit ihrem Onkel zu wechseln. Sicher verstaut in ihrem Rucksack lag das Notizbuch.
»Was?«, fragte sie schließlich verwirrt.
»Und? Wie hat es Harry aufgenommen, dass du am Leben bist?«
»Du hast mir nicht gesagt, dass du bei ihm warst.«
»Nein, ich wollte dich nicht beeinflussen.«
Sie warf ihm einen flüchtigen Seitenblick zu und verzog spöttisch den Mund. »Natürlich.«
»Okay Johanna, du bist sauer auf mich. Einverstanden. Lass es mich dir erklären. Ich war bei ihm, weil ich es sehe, wenn ein Mensch unter seinen Schuldgefühlen zusammenzubrechen droht. Es ist meine Aufgabe als Priester, diesen Menschen zu helfen, und noch viel mehr, wenn ich weiß, dass er keine Schuld auf sich geladen hat.«
»Das ist verständlich, aber keine Erklärung, warum du es mir verschwiegen hast.«
»Kennst du eines der wichtigsten Geschenke, die Gott uns Menschen gegeben hat?«
»Den freien Willen?«
»Ja genau, den freien Willen. Jeden Tag dürfen wir uns aufs Neue entscheiden, welchen Weg wir in unserem Leben gehen. An manchen Tagen ist es leichter, an anderen sehr schwer, dir zuzusehen, wie du immer wieder deine Entscheidungen triffst. Und doch weiß ich, dass ich nicht das Recht habe, dir meine Meinung oder meine Ansichten aufzudrücken. Gerade für dich ist es wichtig, dass du deine eigenen Entscheidungen triffst.«
»Warum?«
Er schwieg, und sie wusste, er würde ihr auf diese Frage keine Antwort geben.
»Also gut, dann frage ich dich etwas anderes. Weshalb werde ich das Gefühl nicht los, dass ich eine Spielfigur bin, die auf einem Feld hin- und hergeschoben wird?«
»Wir alle sind nur Figuren auf einem Spielfeld. Aber du entscheidest dich, ob du dich in die eine Richtung schieben lässt oder in die andere.«
»Du versuchst, mich zu manipulieren.«
Der Kardinal seufzte tief. »Wenn ich versuchen würde, dich zu manipulieren oder in meine Richtung zu schubsen, glaube mir, Johanna, dann würden wir beide heute nicht hier zusammensitzen. Dann säßen wir jetzt in Rom in meiner Villa bei einem gemütlichen Nachmittagskaffee. Aber nein, ich habe einem neunjährigen Mädchen erlaubt, die Verantwortung für ihre Mutter und ihre Schwester zu übernehmen. Und weshalb? Weil es die letzten Worte ihres Vaters waren.«
Der Rest der Fahrt verlief still, während sie beide ihren Gedanken nachhingen.
19 Wissen
K urz vor Berlin fuhr Hanna auf einen Rastplatz. Die restliche Rückfahrt hatte sie gegrübelt, wie sie weiter vorgehen wollte. Was sie mit dem Notizbuch machen sollte. So sehr sie Marie glauben und vertrauen wollte, so wichtig war das Ergebnis dessen, was die Frauen erforscht hatten. Sie hatten dafür einen hohen Preis bezahlt.
Hanna wandte sich ihrem Onkel zu, und sah ihm forschend ins Gesicht. »Hast du die Möglichkeit, ein Buch zu digitalisieren?«
»Hat dir Harry seine Memoiren anvertraut?« Ein amüsierter Ausdruck huschte über sein Gesicht, der sich schlagartig änderte, als sie ihn weiterhin ernst musterte. »Ja, das geht. Kein Problem.«
»Geht es auch, dass wir es auf mehrere Systeme verteilen können, falls einem von uns etwas passiert?«
»Johanna, du machst mir Angst! Worum geht es?«
Hanna griff nach hinten und holte ihren Rucksack. Sie kramte das Notizbuch hervor und hielt es ihm hin. Vorsichtig nahm er es an. Während er es aufschlug, fuhr sie los. Hörte, wie sich die Seiten erst langsam, dann hastiger bewegten.
»Wohin müssen wir?«
»Charlottenburg, Lütgeweg 1. – Ist es das, was ich denke, dass es ist?«
»Was denkst du?«
»Das Heilmittel für HIV.«
»Ich bin keine Pharmakologin und auch keine Ärztin, demnach ist es zu früh, so etwas zu sagen.«
»Seit wann hat er es gehabt?«
»Seit unserem Besuch bei Dr. Rukia Mutai.«
»Sie hat es ihm anvertraut? Wieso?«
»Weil ich es Marie geben sollte.«
»Oh mein Gott.«
Hanna schwieg, ließ ihn alles
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