Hannas Entscheidung
gehörte nicht mehr zu den Ordensrittern des ersten Stands. Ein solcher muss genauso in Keuschheit leben wie ein Priester.«
»Meintest du im Auto mit ‚wir‘ dich und die Kirche, dich und den Malteserorden oder dich und das Militär?«
Eine Zeit lang erfüllte allein das Geräusch des Kopierers den Raum, den Hanna Seite für Seite mit dem Inhalt des Notizbuchs fütterte.
»Alle drei.«
Hanna hielt in ihrer Arbeit inne, drehte sich langsam um. »Du arbeitest mit dem Militär zusammen! Du bist Kardinal!«
»Das eine schließt das andere nicht aus«, erklärte er ruhig.
»Bitte?! Deren Auftrag ist es, Menschen zu töten, Kriege zu führen.«
»Hanna, von Anfang an haben Priester die Menschen im Krieg begleitet. Weißt du eigentlich, wie viele Soldaten während ihrer Dienstzeit zum Glauben finden, sich taufen lassen? Außerdem ist der Auftrag der Bundeswehr nicht das Töten von Menschen.«
»Sondern?«
»Sicherheit und Schutz zu gewährleisten für Deutschland und seine Bürger. Außerdem geht es um die Verhütung von Konflikten, Krisenbewältigung, Evakuierungsoperationen, Heimatschutz und humanitäre Hilfe. Diese Aufgaben sind es, die Kirche, Malteser und das Militär immer wieder zusammenführen. Kopier weiter, sonst sitzen wir noch ewig hier rum.«
»Maries Projekt war dem Militär nicht bekannt.« Hanna schlug die nächste Seite des Notizbuchs auf und scannte weiter.
»Nein.«
»Woher wusstest du es?«
»Marie.«
»Marie?«
»Ja, sie hat es mir gebeichtet, nachdem sie von deinem Tod erfahren hatte. Sie fürchtete, dass man sie auch töten würde.«
Hanna versank in ihre Gedanken.
»Ich wünsche mir einen Fond.«
Ihr Onkel stand auf, nahm sie in die Arme. »Den wird es geben, versprochen. Aber erst müssen wir sicherstellen, dass Medicare ein Heilmittel produzieren kann und wird.«
»Was für eine Ironie.«
»Du musst nutzen, was dir zur Verfügung steht. Armin hat Marie die Geschäftsführung übergeben, und glaube mir, er wird sich noch dafür in den Hintern beißen.
Erst um neun Uhr abends erreichten sie Carolines Haus. Den ganzen Tag waren sie auf den Beinen gewesen und Hanna fühlte sich hundemüde. Sie wartete, bis ihr Onkel die Haustür aufgeschlossen hatte, dann schlüpfte sie vor ihm ins Haus.
»Möchtest du nichts mehr essen?«
Hanna drehte sich um. Sie war schon halb die Treppe hoch, obwohl das Notizbuch im Rucksack wie ein Stein an ihrer Schulter zu zerren schien.
»Kein Hunger.«
»Du kannst heute sowieso nichts mehr machen.« Mit dem Kinn zeigte Richard auf den Rucksack.
»Ich bin müde.«
Kaum im Zimmer, schloss Hanna die Tür und sah sich um. Wo ließ sich ein Notizbuch am besten verstecken? Dann hatte sie die perfekte Idee. In ihrer Tasche befanden sich mehrere Skizzenblöcke, von denen einige in eine feste Hülle eingebunden waren, so wie das Notizbuch. Sie nahm das Stück Stoff ab, wickelte eines von ihren Büchern damit ein und legte das Buch von Dr. Rukia Mutai mitten zwischen die anderen – ganz offen, das waren die besten Verstecke. Noch hatte sie keine Ahnung, wie sie das Notizbuch unbemerkt zu Marie bekommen sollte. Genauso wenig wusste sie, ob der Inhalt Marie helfen würde, ein Heilmittel für HIV zu entwickeln, aber das hatte Zeit bis morgen. Keine zehn Minuten später lag sie im Bett und schlief tief und fest.
Hanna saß in einem Besprechungszimmer des BKA, in dem außer ihrem Patenonkel noch Brinkmann vom BKA, Hartmann, Paul und Ben anwesend waren. Morgens hatte ein Anruf von Konz ihren Onkel erreicht, in dem er um diese Zusammenkunft gebeten hatte. Gemeinsam hatten sie entschieden, niemandem von dem Notizbuch zu erzählen. Es war sicherer, diese Information erst einmal für sich zu behalten.
Ben setzte sich neben sie. Er holte sein Handy heraus und zeigte ihr Bilder von Nathanael, während sie auf Konz warteten. »Wie geht es Harry?«, fragte er leise.
Es überraschte Hanna nicht, dass er davon wusste. Sie hatte die Fahrzeuge bemerkt, die ihnen auf ihrem Sonntagsausflug gefolgt waren.
»Gut.«
»Wie hat er deine Auferstehung verkraftet?«
»Gut.«
Er musterte sie. »Okay, was verschweigst du?« Seine Stimme war nur noch ein Raunen, sodass garantiert niemand außer ihr ihn verstand. Womit hatte sie sich verraten? Wie machte er das?
»Gibt es einen Termin für die Taufe?«, lenkte Hanna ab.
»Nein, Lisa will noch warten.«
»Worauf?«
»Auf dich. Sie möchte deinen richtigen Namen in der Taufurkunde.«
Konz trat in den Raum, sodass
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