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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Nebenschauplatz gewesen, nicht mehr.«
    »Aber ich dachte, er wäre für den Überfall verantwortlich gewesen, so hat es mir der BKA-Mann damals bei unserem Gespräch erklärt.«
    »Ein BKA-Mann?«
    »Ja, ein Karl Hartmann.«
    »Er war bei dir?«
    »Ja, damals vor der Gerichtsverhandlung.«
    »Aber sie haben dich nicht für eine Zeugenaussage eingeladen.«
    »Nein, weil es in diesem Verfahren nichts gebracht hätte. Es ging um ein späteres Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof von Den Haag.«
    »Davon hat er mir nie etwas gesagt.«
    »Nun, vielleicht wollten sie dich da raushalten. Sie hatten die Bilder, ein Teil der Männer war identifiziert, und ich hatte genauso viel gesehen wie du.«
    Wut gegenüber Hartmann stieg in Hanna hoch. Wie konnte er es wagen, Harry und seine Familie in Gefahr zu bringen? Ihm musste doch klar sein, dass er sie damit in den Fokus gerückt hatte. »Woran hast du nicht mehr gedacht Harry?«
    Er stand auf. Ihr eindringlicher Ton wirkte. Zwei Minuten später kam er mit einem schlichten Notizbuch, so wie er es auch auf Reisen benutzte, zurück. Ein gemusterter Stoffumschlag umhüllte und schützte es.
    »Hier. Sie hat es mir an dem Tag in der Hütte überreicht, als du mit den Kindern draußen warst. Du solltest es deiner Schwester geben. Es war Rukia Mutai sehr wichtig. Sie meinte, es wäre ein Geschenk an das Leben. Ich hatte es in meinem Rucksack. Als du so lange nicht in das Hotel kamst, habe ich es in die Seitentasche von meinem Koffer gepackt, den ich unten im Gepäckraum von dem Hotel ließ. Ich wusste nicht, was dieses Buch enthält und befürchtete, es könnte gefährlich für uns werden. Du weißt, dass ich an dem Abend getrunken hatte. Am nächsten Morgen hatten wir Streit im Frühstücksraum. Ich habe es danach einfach vergessen.«
    »Als Harry von der Reise kam, habe ich ihm angesehen, dass es ihm schlecht ging. Ich habe ihn mit einer Schlaftablette ins Bett gepackt, damit er sich erholt, und habe seine Koffer ausgepackt. Ich meine, er hatte mich aus dem Hotel angerufen und mir alles erzählt. Also packte ich alle Sachen von der Tour auf den Dachboden, möglichst weit weg.«
    Harry sah Sofie mit einem liebevollen Lächeln an. »Ja, und nach dieser Bilderstory fiel mir das Buch wieder ein. Aber irgendwie konnte ich mich nicht überwinden, es deiner Schwester auszuhändigen, und seitdem steht es in meinem Regal bei den anderen Notizbüchern in meinem Arbeitszimmer.« Er reichte ihr das Notizbuch.
    Es lag so schwer in Hannas Händen, dass sie es auf ihre Beine legte. Sie schaute von dem Notizbuch zu Harry und zurück, wusste nicht, ob sie es öffnen wollte. »Was steht da drin?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du hast es nie angeschaut?«
    »Doch, schon.«
    »Aber?«
    »Ich verstehe nicht, was es ist. Das hat mir die Entscheidung so schwer gemacht, was ich damit machen soll. Menschen mussten womöglich dafür ihr Leben lassen. Wie kann ich es in die Welt hinausgeben, ohne zu wissen, welche Konsequenzen das hat? Du hast dir damals die gleichen Fragen bei den Fotos gestellt, die du gemacht hast.«
    »Ich ...«
    »Hanna, für wie dumm hältst du mich? Natürlich wusste ich, wonach das Militär damals suchte. Es hat mir eine Heidenangst gemacht, und du glaubst nicht, wie froh ich war, als wir wieder deutschen Boden unter den Füßen hatten. Ich wollte einfach nur alles vergessen, was da unten in Afrika passiert ist.«
    »Und was erwartest du von mir?«
    »Ich glaube, dass du sehr genau weißt, was in diesem Notizbuch steht. Vielleicht hätte ich es deinem Onkel, diesem Kardinal ausgehändigt. Doch ganz ehrlich? Ich weiß überhaupt nicht, wer hier zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Jetzt, im Nachhinein, glaube ich, dass der Besuch deines Onkels eine Absicht verfolgte.«
    Hanna schwieg, dachte daran, dass Richard draußen im Auto auf sie wartete und er ihr einiges zu erklären hätte.
    »Welche?«
    »Ich denke, er wusste, dass du lebst. Und er wollte wissen, was ich von all dem wusste, was unten in Afrika geschehen ist.«
    »Aber warum gibst du es mir?«
    »Wenn jemand weiß, was damit anzufangen ist, dann du, Hanna.«
    »Du traust mir zu viel zu.«
    Er lächelte sie an. »Du bist von den Toten auferstanden.«
    Sie atmete tief ein, sah auf das Notizbuch in ihrem Schoß und öffnete es – Daten, Diagramme, Namen und Medikamente, dann immer wieder seitenweise Formeln, Aufzeichnungen über die Symptome der Kinder, Fieber, Kopfweh, Blutdruck, Blutwerte – alles bis ins

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