Hannas Entscheidung
verarbeiten.
»Die ganze Zeit suchen wir danach, und dabei liegt es einfach so in Hamburg bei einem Journalisten. Wieso gibt er es dir erst jetzt?«
»Eine lange Geschichte. Wer ist wir?«
»Wir?«
»Du hast gesagt, wir suchen die ganze Zeit danach!«
»Ich – Johanna – oh Gott, wo fange ich an?«
»Am Anfang und mit der Wahrheit.« Äußerlich gelassen, fror Hanna doch innerlich bis auf die Knochen. Sie hatte Angst vor dem, was sie als Nächstes erfahren würde.
»Nicht hier im Auto.«
Sie erreichten den Lütgeweg im Stadtteil Charlottenburg. Gemeinsam gingen sie in das Gebäude, in dem sich der Malteserorden befand. Hanna dachte an den Ring, den Marie von ihrem Vater bekommen hatte, ihrem Wunsch, sich dem Orden bei seiner Arbeit anzuschließen. Richard ging mit ihr die Treppe hoch. Sie wurden nicht aufgehalten, und die Leute begrüßten den Kardinal höflich. Kein Anhalten, keine Nachfragen, er bewegte sich hier, wie in seinem eigenen Zuhause. Schließlich erreichten sie eine Tür, und er klopfte.
»Ja!«, schallte es knapp von der anderen Seite.
Sie traten ein. Der Raum wurde von einem Schreibtisch beherrscht, hinter dem ein Mann mit aufgekrempelten Hemdsärmeln saß. Einen Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt, hämmerte er auf seine Tastatur ein. Als er sich ihnen zuwandte, rutschte ihm der Hörer von der Schulter. »Eure Exzellenz, ich hatte Sie heute nicht erwartet. Entschuldigung, einen Moment.« Er hob den heruntergefallenen Hörer auf. »Ich rufe dich später noch mal an. Habe gerade Besuch bekommen.«
Der Mann kam hinter seinem Schreibtisch hervor und begrüßte ihren Onkel mit der gebotenen Höflichkeit gegenüber einem Kardinal.
»Dr. Moser, entschuldigen Sie, dass wir Sie so überfallen.« Richard trat zur Seite und der Mann wandte sich ihr zu: »Frau Ziegler.«
Hanna wollte widersprechen, aber ein kurzer Blick ihres Onkels ließ sie schweigen.
»Was kann ich für Sie tun, Kardinal Voigt?«
»Ich würde gerne den Scanner in Beschlag nehmen, und wenn es geht, einen Computer.«
»Kein Problem, brauchen Sie jemanden, der Ihnen hilft? Es ist gleich Büroschluss, und ich habe in einer halben Stunde einen Termin.«
»Nein, ich denke, wir kommen allein klar.«
»Dauert es länger?«
»Möglicherweise ja.«
»Gut, dann lasse ich Ihnen einen Schlüssel da. Schließen Sie das Büro bitte ab, wenn Sie gehen, und werfen Sie ihn dann einfach in das Postfach.«
»Wird gemacht.«
»Frau Ziegler, es bleibt doch bei Ihrem Vortrag für nächsten Monat über den Forschungsstand bezüglich neuer Medikamente für Frauen?«
»Sicher.«
Der Mann wartete einen Moment, räusperte sich dann, doch der Kardinal war schneller. »Entschuldigen Sie, Dr. Moser, wir haben es ein wenig eilig. Frau Ziegler steht ihnen bestimmt zu einem späteren Zeitpunkt für eine ausführlichere Diskussion zur Verfügung.«
»Natürlich, Kardinal Voigt.«
Ihr Onkel schob Hanna aus dem Büro und weiter den Gang hinunter und öffnete die Tür zu einem anderen Raum. Dort standen ein Multifunktionsgerät, Regale mit verschiedenen Papieren darin, ein kleiner Ablagetisch mit einem Stuhl davor und ein Rechner. Der Kardinal fuhr den Rechner hoch, gab seine Zugangsdaten ein und öffnete sein E-Mail-Programm.
»Los gehts. Kannst du so ein Multifunktionsdingsbums bedienen?«
»Ich denke schon.«
Hanna musterte das Gerät, fand die Scanneroption und wechselte auf das Menü.
Ihr Onkel stand auf. »Nein, verwende lieber die E-Mail-Funktion. Über den Scanner wird alles in einem allgemein zugänglichen Ordner gespeichert, was in unserem Fall nicht optimal wäre.« Er tippte seine E-Mail-Adresse in die Zeile auf dem Display.
»Und du denkst, E-Mail wäre sicherer?«
»Na ja, nicht absolut sicher, aber besser als der allgemeine Ordner.«
Hanna nahm das Notizbuch aus der Tasche und kopierte die erste Seite. »Du gehörst dem Malteserorden an?«
»Nicht direkt. Der Papst hat mich zu seinem Vertreter bei dem Orden ernannt. Ich trage den Titel Kardinalpatron, und meine Aufgabe ist es, die spirituelle Ausrichtung des Ordens und seiner Mitglieder zu fördern sowie die Beziehung zum Heiligen Stuhl zu pflegen.«
»Professor Bartoli?«
»Er ist ein Ordensritter des ersten Stands.«
»So wie Papa.«
»... es war.«
»Ja, ich weiß, dass Papa tot ist.«
»Nein, ‚war‘ bezog sich auf die Zeit, als er noch lebte.«
»Er ist ausgeschieden? Das kann nicht sein. Er hat für den Malteserorden gearbeitet.«
»Ja, aber er
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