Hannas Entscheidung
kleinste Detail.
»Die Kinder, nicht wahr?«, fragte Harry leise nach.
»Ja, Afya, Haiba, Tutu, Saburi, Maalik, Ezeoha, Tabita, Dupe, Rabuwa und Moswen, der kleine Junge mit dem ich draußen fotografiert habe.«
»Sie haben sie für Versuche benutzt. Mein Gott, sie erschien so nett. Alles war so aufgeräumt und gepflegt.« Harrys Stimme nur noch ein Flüstern.
»Sie haben ein Heilmittel für HIV gefunden. Das hier in dem Notizbuch dürften vermutlich die Zusammensetzung des Mittels und Therapiehinweise sein.« Ihre Worte blieben in der Luft hängen, schwebten langsam herunter und senkten sich in den Verstand der beiden Winters.
Sofie fing sich als Erste. »Du meinst nicht nur ein neues Mittel zur Therapie, sondern ein Heilmittel zur kompletten Vernichtung des Virus im Menschen? Sodass Aids nie ausbrechen kann?«
»Ja.«
»Gab es Aufzeichnungen darüber?«, mischte sich Harry ein. »Ist deshalb auch diese Forschungsstation hopsgenommen worden?«
»So ist es.«
Harry zeigte auf das Notizbuch. »Und das ist alles, was davon übrig geblieben ist?«
»Vermutlich.« Hanna verschwieg ihm, dass sie gerade versuchten, an die gelöschten Daten heranzukommen. Selbst das Militär ahnte nicht, dass sie hinter anderen Daten her war. BKA und Militär wollten Beweise für die Manipulation der Medikamente, des Marktes oder am liebsten über die Transaktionen zwischen den einzelnen Mitgliedern der FoEI. Sie hingegen suchte nach den Informationen über das Heilmittel. Und nun lag es hier in ihren Händen. Die ganze Zeit über hatte es in Harrys Koffer gelegen.
»Was hast du jetzt damit vor?«
»Harry, könnt ihr für eine Weile von der Bildfläche verschwinden? Ich meine – regelrecht untertauchen?«
Sofie stand auf, setzte sich auf die Lehne von Harrys Sessel und suchte die Hand ihres Mannes. »Dir ist klar, wie wichtig dieses Buch ist?«
»Ja, aber noch viel wichtiger ist, dass es nicht in die falschen Hände kommt. Harry, wenn sie ahnen, dass es dieses Buch gibt, wenn sie auch nur glauben, du wüsstest etwas oder könntest dich an irgendetwas erinnern, was hier drin steht, ist dein Leben kein Pfifferling mehr wert.«
»Warum? Das ist doch etwas Gutes – ich meine, ein Heilmittel für HIV ...«
Hanna wandte sich Sofie zu. »Du musst dahinterschauen. Es geht um Geld und Stabilität in Ländern mit Rohstoffen. Es geht immer um Macht.«
»Aber ...«
»Nein, Sofie«, unterbrach Harry seine Frau, »Hanna hat recht. Schau dir die Länder mit den höchsten Raten von HIV-Erkrankungen an. Eine Heilung würde Hoffnung bedeuten für Millionen von infizierten Menschen. Und dass Eltern weiter für ihre Kinder da sein könnten, arbeiten und für die Zukunft ihres Landes da sind. – Also wo steht Medicare, Hanna?«
»Das willst du nicht wissen.«
»Doch.«
»Wissen ist gefährlich.«
»Ich will wissen, weshalb wir verschwinden sollen, und ich will wissen, was du vorhast.«
Sie dachte an Nina. Sie hatte auch helfen wollen, oder nicht? »Lukas hatte seine eigene Geschichte am Laufen. Er wusste nichts von Maries Projekt.«
»Also lag ich richtig. Marie hat die Kinder als Versuchskaninchen benutzt.«
Hanna verteidigte ihre Schwester nicht. Das entsprach viel zu sehr ihrer eigenen Meinung. »Ein Mädchen starb.«
»Oh mein Gott«, hauchte Sofie.
»Sie mussten es melden. Dr. Friederike Schneider beraumte eine Besprechung an. Ich denke, dass sie von ihrem Heilmittel erzählen wollte. Doch Lukas dachte, der Tod des Mädchens wäre durch seine Medikamente für die Therapie verursacht worden.«
»Seine Medikamente?«
»Ja, ihm gehörte ein Unternehmen, das das Recht hatte, Generika der HIV-Medikamente von Medicare zu produzieren. Um seine Marge zu optimieren, verwendete er eine billigere Zusammensetzung und reduzierte den teuren Wirkstoff.«
»Und um seine Spuren zu verwischen, hat er Söldner angeheuert, die ein ganzes Dorf plattgemacht haben?« Fassungslosigkeit klang bei jedem von Harrys Worten durch.
Hanna nickte.
»Aber das geht doch nicht. Ich meine, niemand kann so einfach Soldaten anheuern, die Menschen umbringen.«
Zwei Augenpaaren richteten sich traurig auf Sofie. Ja, es gab eine Zeit, da hätte Hanna mit derselben Naivität die Welt betrachtet.
»Und wer hat Lukas getötet?«, fragte Harry.
»Das weiß derzeit wohl niemand.«
»Und was hast du jetzt vor? Hanna, wenn deine Tarnung aufgeflogen ist, dann bist du nicht sicher. Du musst verschwinden.«
»Nein Harry, ich bin lange genug geflohen und habe der
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