Hannas Entscheidung
gesprochen.
Nun mischte sich Graham ein: »I thought it would be a pleasure for you to sit beside one of my oldest friends – Eric.«
»Mr Wahlstrom, nice to meet you.« Marie schüttelte seinem Vater die Hand, und Ben registrierte kurz irritiert, dass Marie, obwohl sie Schmuck an Ohren, Hals und Handgelenken trug, keine Ringe an den Fingern hatte.
Graham verabschiedete sich und sein Vater schaffte es geschickt, Marie Ziegler zwischen sie beide zu platzieren. Nichts toppte einen jahrzehntelang geschulten Diplomaten, wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte, Menschen auf unbefangene Weise genau dorthin zu bekommen, wo er sie haben wollte.
In Hanna arbeitete es auf Hochtouren. Wie genau war sie in diese Situation geraten? Verdammt, jetzt saß sie hier zwischen zwei Wahlstroms gefangen und hatte keine Ahnung, wie sie die Zeit bis zu ihrem Vortrag überstehen sollte. Was suchte Ben überhaupt hier? Sie rückte ihren Stuhl ein wenig dichter zu seinem Vater, der die gleichen undefinierbar grauen Augen hatte wie sein Sohn. Nein, eher hatte der Sohn die Augen des Vaters. Erik Wahlstrom besaß ein schmales, fein geschnittenes Gesicht. Seine Haare waren aus dem Gesicht gekämmt, erstaunlich schwarz, aber vor allem an den Schläfen leicht grau meliert, was ihn zusätzlich seriös wirken ließ. Dieser Eindruck verstärkte sich durch eine Brille, die nur an der oberen Hälfte golden gerahmt und ansonsten rahmenlos war. Buschige Augenbrauen, eine schmale Hakennase, die mindestens einmal gebrochen worden sein musste, was der Knubbel auf dem Nasenbein verriet, gaben ihm ein verwegenes Aussehen – oder lag das eher an dem Grinsen, mit dem er sie betrachtete? Die Lippenform hatte er ebenfalls seinem Sohn vererbt, genauso das Kinn.
Hanna wollte zum Boden greifen, als ihr einfiel, dass sie ja ihren Rucksack nicht dabei hatte und somit weder ihre Kamera noch ihren Skizzenblock zur Hand nehmen konnte, um die Erscheinung ihres Sitznachbarn auf ein Bild zu bannen. Etwas faszinierte sie an dem Mann, hinter seinen Augen lag etwas verborgen, das sie nicht greifen konnte. Dann fielen ihr die Ringe an seiner Hand auf. Am rechten Ringfinger trug er einen schmalen Goldreif, am linken einen Siegelring, den sie erkannte.
»Sie sind Ritter des Malteserordens?«, rutschte es ihr in ihrer Verblüffung heraus.
Amüsiert zog Eric Wahlstrom die Augenbrauen hoch und betrachtete den Ring an seiner Hand. »Sie haben unsere letzte Begegnung vergessen? Ein harter Schlag für meine männliche Eitelkeit.«
»Du kennst Frau Ziegler?«, hörte sie Bens überraschte Stimme und war froh, dass nicht sie selbst diese Frage gestellt hatte.
»Du ja offensichtlich auch, sonst hättet ihr euch nicht geduzt.«
Hanna warf einen raschen Blick auf ihren anderen Tischnachbarn, der in dem Smoking so völlig anders als sonst aussah. Seine schlanke Taille fiel in dem Anzug auf und wurde durch den Kummerbund noch betont. Die Jacke passte exakt an den Schultern und fiel schmal zur Hüfte hin ab, als wäre dieser Smoking eigens für ihn geschneidert worden.
»Die Benefizveranstaltung vor knapp drei Monaten in Berlin im Kanzleramt?«, half ihr Eric Wahlstrom auf die Sprünge.
»Oh natürlich, wie konnte ich das nur vergessen.«
»Er blinzelte schelmisch. »Aber das macht doch nichts, das gibt mir Gelegenheit, heute einen bleibenden Eindruck bei Ihnen zu hinterlassen.«
Das Licht wurde gedimmt, die Geräusche verstummten. Scott Graham begrüßt seine Gäste, dankte allen Anwesenden für ihr Kommen und gab die Agenda für den Tag bekannt. Neben besonderen Gästen, die er separat willkommen hieß, wies er auf die Sprecher des heutigen Tages hin.
»Mrs Marie Ziegler.«
Ein Scheinwerferkegel tauchte Hanna in Licht, und kalter Schweiß trat ihr auf die Stirn. Sie fürchtete, das festgewachsene Lächeln nie wieder aus dem Gesicht zu bekommen und den Rest ihres Lebens mit dieser Grimasse herumlaufen zu müssen wie Joker bei Batman. Oh Gott, wie war sie nur auf diesen blödsinnigen Gedanken gekommen? Alles nur Stress – reiner purer Stress.
Der Scheinwerfer schwenkte auf den nächsten Redner, der sich erhob, in die Menge grüßte und nickte. Ja, der Typ genoss eindeutig die Aufmerksamkeit. Hanna fasste an ihren Hals, doch statt der Form des Kreuzanhängers mit ihrer beruhigenden Wirkung spürte sie die scharfen Kanten des Saphirs. Sie legte die Hände in den Schoß und verschränkte die Finger.
Mit gerunzelter Stirn beobachtete Ben Marie. Sein Auftrag lautete,
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