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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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konnte, aber – ja aber was? Unterschied sie sich denn von den Menglers dieser Welt?
    »Auch ihre Vereinbarung mit Botswana war ein geschickter strategischer Zug, muss ich sagen.« Mengler gab nicht auf.
    »Und ein vorbildliches Beispiel«, tönte eine Männerstimme von der anderen Seite, »wie ein Unternehmen ein Entwicklungsland in einer Art unterstützen kann, die es ihm erlaubt, seine gesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Die politische Stabilität, die damit einhergeht, ist nicht zu verachten und hat für die afrikanischen Länder eine besondere Bedeutung. – Erik Wahlstrom. Herr Mengler, ich glaube, wir begegnen uns heute zum ersten Mal.« Wahlstrom reichte dem Mann neben sich die Hand. »Ich finde, es gehört viel Mut dazu, eine solche Vereinbarung einzugehen. Und wenn Sie sich die Entwicklung der letzten Jahre in diesem Land anschauen, sollten wir überlegen, ob das nicht ein Schritt in die richtige Richtung ist. Hilfe zur Selbsthilfe – sollte nicht das Motto jeder humanitären Hilfe so lauten?«
    »Mit Verlaub, es ist ein großes Risiko, wenn wir die Hilfen für die Länder über Unternehmen abwickeln lassen. Hinter all dem verbergen sich oft wirtschaftliche Interessen oder die Absicht, die politische Situation im Land zu beeinflussen. Unabhängige Institutionen, die seit langer Zeit für die Hilfe von Menschen unterwegs sind, können weitaus besser entscheiden, wo Hilfsgüter und Medikamente hingehen sollten. Denken Sie nur an den Orden, dem Sie angehören.«
    Die Diskussion wurde weitergeführt, und auch die anderen am Tisch begannen, sich einzubringen. Bestimmt hätte Marie sich dieser Diskussion in ihrer unvergleichlichen Art gestellt. Mit Zahlen und Fakten hätte sie Mengler die Argumente vom Tisch gefegt, aber dieses Gefecht war nichts für Hanna. Sie wartete still und unauffällig, dass die Zeit verrann.
    »Noch ein Glas Wein?«
    Bens Stimme in unmittelbarer Nähe ließ sie zusammenzucken.
    »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Ja, bitte.«
    Ben schenkte ihr ein. »Du kannst meinem Vater getrost die Diskussion überlassen. Er besitzt ein unschlagbares Geschick in diesen Dingen.«
    »Nicht nur darin«, brummte sie und nahm einen kleinen Schluck. »Was machst du hier überhaupt?«
    Er grinste sie schelmisch an. »Ich wollte dich sehen.«
    Sie fühlte den Stich schmerzhaft, und das nicht nur in der Magengegend. »Und dafür kommst du nach New York?«
    »Die einzige Möglichkeit, dich zu sehen, ohne dass es jemand mitbekommt.«
    »Hab ich etwas verpasst?« Sie spürte die Kälte in ihrem Innern, versuchte, das bösartige Gefühl der Eifersucht zu verdrängen. Was hatte ihr Marie diesmal verschwiegen?
    »Ts ts, lässt dich dein Gedächtnis im Stich oder versuchst du etwas auszublenden, was dir unangenehm ist?«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
    »Dann gebe ich dir einen Tipp. HIV.«
    »Das ist kein Tipp, das ist mein heutiges Thema.«
    »Oh, ich spreche nicht von einer Therapie oder eurem langjährigen Engagement in Botswana, ich spreche von dem Heilmittel.«
    Wie gefährlich er aussah, trotz seines harmlosen Smokings.Es lief ihr kalt den Rücken herunter. Was versuchte er hier gerade mit Marie? Wollte er sie verführen oder bedrohen?
    »Mrs Ziegler, you are the first to speak. Would you like to come with me so I can show you the technics?«
    »Yes, of course.« Sie stand auf, glücklich, diesem Tisch fürs Erste zu entrinnen. Nein, falsch! Sie würde nicht den Fehler machen, noch einmal hierher zurückzukehren. Sie würde die Rede halten und danach auf die Damentoilette verschwinden. Einige Zeit später konnte sie den Gastgeber aufsuchen und sich irgendeine Unpässlichkeit einfallen lassen. Nur mit halbem Ohr zuhörend, ließ sie sich das Headset am Kopf befestigen, trank von dem stillen Wasser, das man ihr zur Verfügung stellte. Sie versuchte, sich mental auf die vor ihr liegende Präsentation einzustellen. Alles andere kam später. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Sie rechnete nach, ob Marie und ihr Onkel bereits in Deutschland gelandet waren. Nur noch ein wenig mehr Zeit, ein Stück länger Normalität, dann hätten sie Tatsachen geschaffen, die niemand mehr rückgängig machen konnte. Ein Wink von dem Mann, der ihr das Headset am Kopf befestigt hatte – ihr Auftritt.
    Sie betrat mit einem mulmigen Gefühl und weichen Knien das Podium. Der Vorhang wurde aufgezogen. Eine Leinwand erschien, die jede Kinoleinwand in Berlin winzig erscheinen ließ. Ein Video startete.

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