Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
Vom Netzwerk:
ihr auf den Zahn zu fühlen. Sie schien der Dreh- und Angelpunkt aller Ereignisse zu sein, und niemand wusste so recht, auf welcher Seite sie stand. Trotz großer Vorsicht und noch mehr Umsicht in der Formulierung hatte Marie ihre Hände in dem Forschungsprojekt von Dr. Frederike Schneider gehabt, das war klar. An dieser Stelle wollte Ben heute Abend ansetzen. Zwar reichten die bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht, um ihr nachzuweisen, dass sie illegal ein Heilmittel entwickelt und Tests damit an Menschen vorgenommen hatte, aber das brauchte sie ja nicht unbedingt zu wissen.
    Bisher war keine Kontaktaufnahme ihrerseits mit Armin Ziegler nachgewiesen, obwohl sich Armin Ziegler laut den Amerikanern seit dem Morgen in New York aufhielt, genauso Philip Bornstedt. Bornstedt war in Bens Augen ein Kapitel für sich. Die Therapeutin, bei der Hanna vor ihrem angeblichen Selbstmord gewesen sein sollte, war eine alte Freundin von ihm. Seine Arbeit im Wirtschaftsministerium in der Abteilung Amerika und Afrika – so passend für Lukas Benners unternehmerische Aktivitäten in Nigeria. Das Abendessen mit ihm an dem Abend, als Hanna in der brennenden Hütte fast umkam, hatte zuerst dafür gesorgt, dass Maries Ehemann außer Verdacht war. Und trotz der Zusammenhänge hatte niemand dem aalglatten, politisch ambitionierten Mann etwas nachweisen können –, bis Viktors Liste auftauchte. Konz nutzte sein Wissen, um Bornstedt unter Druck zu setzen, und es war ihm gelungen. Er hatte geplaudert und dem Gesamtbild der Machenschaften der FoEI weitere Puzzleteile hinzugefügt. Genau dieser Punkt bereitete dem BKA Sorgen. Wolffs Jacht lag im Hafen von New York, Marie und Armin Ziegler und Philip Bornstedt befanden sich alle am selben Ort. Aus diesem Grund war das amerikanische Militär mit in die heutige Aktion einbezogen worden.
    Er hatte einen Peilsender und eine Wanze dabei. Es war ein Kinderspiel gewesen, eine Einladung zu der WHO-Veranstaltung zu bekommen, da der Vorsitzende ein langjähriger Freund aus der Diplomatenzeit seines Vaters war. Diesen wiederum hatte er gebeten, zu arrangieren, dass Marie Ziegler bei ihnen am Tisch sitzen würde. Er ärgerte sich, dass sein Vater ihm nicht erzählt hatte, dass er Marie kannte. Aber offensichtlich kannte er sie auch nicht besonders gut.
    Etwas irritierte ihn an Maries Verhalten. Erst der Griff zu ihrer Handtasche, während sie seinen Vater so intensiv musterte, als müsste sie sich jedes Detail seines Gesichtes einprägen, dann der Griff an ihren Hals zu dem Schmuckstück. Das war so eine vertraute Bewegung, die er von Hanna kannte, wenn sie sich unsicher fühlte, bei Marie beobachtete er diese Geste zum ersten Mal. Zuletzt rückte sie den Stuhl von ihm ab.
    Marie schien unter Stress zu stehen. Er schaute nachdenklich auf ihre krampfhaft verschränkten Finger. Vielleicht war seine Aufgabe wesentlich einfacher als gedacht. Sollte er über Marie auf Wolffs Jacht gelangen, dann wäre die Aktion ein voller Erfolg.
    »Ich bin gespannt auf ihren Vortrag, Frau Ziegler.«
    Sollte sein Vater nur die Konversation übernehmen, dachte Ben, so hatte er Gelegenheit, Maries Stimmung besser zu erfassen.
    »Welche Stellung nehmen Sie im Malteserorden ein, Herr Wahlstrom?«
    »Nennen Sie mich doch Erik, bitte.«
    »Erik«, wiederholte sie zögernd den Vornamen seines Vaters.
    »Sie wollen doch nicht etwa mit Ihrer Frage geschickt von Ihrem Vortrag ablenken, Marie?«
    »Aber nein, den Vortrag bekommen Sie ja auf jeden Fall zu hören.« Den unschuldigen Augenaufschlag, den sie dem älteren Herrn schenkte, hatte sie oft genug bei Marie gesehen. Er verfehlte seine Wirkung nicht.
    »Armin kann sich glücklich schätzen, Sie für die Führung des Unternehmens gewonnen zu haben. Sie haben Erstaunliches geleistet im letzten Jahr«, mischte sich der Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes ein. »Lutz Mengler, falls Sie sich an mich auch nicht mehr erinnern. So ein Vortrag, vor internationalem Publikum kann einem schon mal das Gedächtnis blockieren.«
    »Mein lieber Herr Mengler, ich habe Sie nicht vergessen. Frau Mengler, wie geht es Ihrer Tochter? Hat sie sich von ihrem Beinbruch erholt? Fährt sie wieder Ski?«
    »Oh, ja. Danke der Nachfrage.«
    Mengler war Hanna ein Begriff. Marie hatte sie vor ihm gewarnt. Es wäre bestimmt nicht seine letzte Spitze, die er ihr gegenüber abschoss. Sie hasste diese geheuchelte Freundlichkeit, hinter deren Fassade sich bloße Verachtung verbarg. Nicht, dass sie es ihm verdenken

Weitere Kostenlose Bücher