Hannas Entscheidung
Kreuz von Ben in der Handtasche deponiert, die zu dem Kostüm passte. Dann hatte sie es doch genommen und auf die Bibel in der Nachttischschublade des Hotelzimmers gelegt. Pünktlich um achtzehn Uhr dreißig erschien ein Fahrer von der WHO in der Empfangshalle des Peninsula Hotels.
Hanna hatte fleißig geübt, auf den Stöckelschuhen zu gehen, und inzwischen taten ihr die Füße weh. Das konnte ein heiterer Abend werden. Die zwei Männer in schwarzen, eleganten Anzügen, Bodyguards ihrer Schwester, hatte sie in der Nähe der Bar an einem Platz erspäht, wo sie ihren Schützling im Auge behalten konnten. Sie kamen beide auf sie zu. Die Augen des Blonden lagen einen Moment zu lange auf Hannas Gesicht, und ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Hanna runzelte die Stirn, kniff die Augen zusammen, bevor sie sich zum Fahrer abwandte.
»Wir begleiten Frau Ziegler.« Ein kalter Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ, begleitete die wenigen Worte des blonden Leibwächters. Der Chauffeur musterte die Männer kurz, wirkte aber in keiner Weise irritiert.
Hanna fühlte sich unbehaglich, so dicht zwischen den zwei Männern.
»Keine Sorge, Frau Ziegler, wenn wir auf der Veranstaltung sind, werden wir unseren Abstand wahren.«
Etwas an der Art, wie der Typ es sagte, verursachte das bekannte Klumpengefühl in Hannas Magen. Sie beschloss, es zu ignorieren und auf ihre Nervosität wegen der bevorstehenden Präsentation zu schieben.
Mehr als dreißig runde Tische waren im Saal verteilt. Kronleuchter mit glitzernden Strasssteinen reflektierten das Licht in feinen Facetten in den Raum. Der untere Teil der Wände war verziert mit Eichenholzpanelen, darüber erweckte eine Tapete den Anschein, als wären blumige Stoffornamente eingearbeitet. Auch an den Wänden gab es Kronleuchter, die ein warmes, indirektes Licht aussandten. Überall am Rand standen Menschen in Smokings oder Abendkleidern, die Frauen mit Juwelen bestückt an Fingern, Armen, Dekolletés und Ohren. Marie hatte tatsächlich recht gehabt. Mit den Perlen wirkte sie erstaunlich schlicht und überhaupt nicht so protzig, wie sie sich fühlte. Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie die Bühne sah, wo ein Rednerpult und mehrere Computer aufgebaut waren. Ein dunkelblauer, schwerer Samtvorhang verdeckte den hinteren Teil der Bühne. Okay, weshalb waren sie auf die blödsinnige Idee verfallen, dass sie hier in die Schuhe ihrer Schwester schlüpfen sollte, anstatt sie einfach krank werden zu lassen? Weil es auffallen und das Misstrauen von Wolffs Männern schüren würde. Aber Hanna fühlte sich krank – furchtbar krank. Ihr war speiübel. Hinter sich spürte sie Wolffs Bodyguards im Nacken, beide breitschultrig mit Knopf im Ohr und Holster unter dem Arm.
Willkommen im Land der Waffenlobby. Dies musste ein Eldorado für jemanden wie Wolff sein. Während Hanna einen inneren Kampf ausfocht, sich nicht umzudrehen und ihrer Übelkeit freien Lauf zu lassen, indem sie sich im Vorraum übergab, sah sie einen älteren Mann freudestrahlend auf sich zukommen. Die wenigen Menschen, die Marie auf dem Fest kannten, hatte ihre Schwester ihr auf ihrem Smartphone gezeigt. Deren jeweilige Funktion in der Organisation, Familienhintergründe und andere Verbindungen zu Medicare hatte Hanna in ihrem Kopf gespeichert. Sie bedankte sich bei ihrem fotografischen Gedächtnis für die Mitteilung, dass der Organisator der Veranstaltung auf sie zukam.
Lächeln, hörte sie die mahnende Stimme ihrer Schwester in ihrem Kopf und automatisch, straffte sie ihre Haltung und verzog die Lippen.
»Mrs Ziegler, I am so happy, that you have followed our invitation this year as one of our highest valued Speakers. The social engagement of your company is such an inspiration for many others and I am looking forward to hearing about your current projects.«
»Mister Graham, it was so nice of you to invite me. I felt so honored by your request.«
Sie tauschten weitere Höflichkeiten aus, während Graham ihr seine Frau, seine Tochter und deren Mann vorstellte. Es gab das unter Amerikanern übliche freundliche Geplänkel. Weiter ging es mit dem brasilianischen Gesundheitsminister, der unbedingt Frau Ziegler kennenlernen wollte. Hanna wechselte ins Portugiesische, das ihr zwar nicht so fließend über die Lippen kam wie Englisch, das Gesicht des Gesundheitsministers jedoch geradezu leuchten ließ. Nur Mr Graham zuliebe wechselten sie zum Englischen zurück. Mit dem Minister der Zentralafrikanischen Republik
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