Hannas Entscheidung
Sie so lieb und würden die Sachen von Sabine zusammenpacken?«
Die Schwester nickte und entschwand die Treppe hoch.
Langsam kehrte das Leben in Hanna zurück. »Niemand packt meine Sachen zusammen.«
»Seien Sie nicht albern, Ihnen muss doch klar sein, dass Ihre Tarnung aufgeflogen ist.«
»Meine Tarnung?« Sie schnappte nach Luft und starrte den Mann vor sich an, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. Und das tat sie eigentlich auch. Er hatte sie zuerst mit Johanna angesprochen, nicht als Sabine. Nichts war mehr übrig von dem verschusselten, in seine Arbeit vertieften Professor. Hellwach und autoritär stand er vor ihr.
»Was hat sich dieser Major Ben Wahlstrom gedacht, als er hier aufgekreuzt ist? Dass wir alle blind sind? Was wollte er überhaupt?«
Hannas Gehirn verarbeitete die Informationen schrittweise und viel zu langsam. »Sie kennen Ben?«
Bartolis Gesicht hellte sich auf. »Ah, ich verstehe.« Er lächelte traurig, strich ihr über die Wange. »Das tut mir leid.«
Heftig schlug sie seine Hand weg und wich ein paar Schritte vor ihm zurück. Schwester Valentina kam mit ihrer Tasche herunter. Ihr Gesicht war blass und mit großen Augen sah sie Hanna an.
Sie verschränkte die Hände vor der Brust. »Ich gehe nirgends hin.«
»Sie gehen. Sie werden die Schwestern der Unbefleckten Empfängnis mit ihrem Verhalten nicht in Gefahr bringen.« Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu.
»Gefahr?«
»Was glauben Sie, wie lange die Männer, die Sie verfolgt haben, brauchen, um Sie hier rauszuholen?«
»Wie heißen Sie wirklich?«
»Professor Bartoli.«
Hanna schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Doch. Ich weiß, das ist verwirrend für Sie. Aber zuerst müssen wir Sie in Sicherheit bringen.«
»Sind Sie Polizist?«
Ein flüchtiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Nein, ich arbeite für die Kirche.« Ohne weiter auf sie zu achten, ergriff er die Tasche und packte sie am Arm, zog sie zur Küche und ging mit ihr zum Lieferantenausgang raus, nachdem er zuvor kurz hinausgespäht hatte. Während er sie zum Beifahrersitz eines Fiat Panda schob, zog er den Rucksack von ihrem Rücken, warf ihn dann zusammen mit der Tasche auf den Rücksitz und zwängte sich auf den Fahrersitz.
Keine zehn Minuten später standen sie an der Pforte der Engelsburg. Er fuhr das Fahrzeug in eine Tiefgarage, die Hanna bei ihrem Besuch nicht aufgefallen war. Das Tor schloss sich direkt hinter ihnen. Überall waren Überwachungskameras angebracht, die sich sofort zu ihnen drehten, als sie aus dem Auto stiegen. Langsam folgte sie Bartoli die Treppen hoch, die in die Engelsburg führten, in einen Teil des Gebäudes, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war.
»Woher wussten Sie, dass ich verfolgt werde?«
»Ich dachte mir, dass Sie sich nicht an meinen Rat halten, und habe Ihnen einer unserer Männer hinterhergeschickt. Den, den Sie umgerannt haben, als sie vor ihren Verfolgern geflüchtet sind.«
»Er hat mich verfolgt?«
»Ja.«
Sie blieb stehen.
»Seit wann?«
»Ab der Ponte Garibaldi.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht.«
»Oh, das meinen Sie? Ganz ehrlich?«
»Habe ich nicht ein Recht darauf?«
»Ich denke ja. Kommen Sie, es ist nicht mehr weit. Wir werden versuchen, Ihre Frage zu beantworten.« Er lachte, legte den Kopf schief. »Wenigstens ein paar.«
Das Treppenhaus stammte aus der Zeit, als die Engelsburg gebaut wurde. Alle fünfzehn Stufen gab es eine Lampe an der Wand, die ihren Weg durch ein indirektes Licht erhellte. Hanna konnte sich vorstellen, wie in früherer Zeit flackernde Kerzen den Weg beleuchteten. Der Flur, in den sie traten, war auf die gleiche Art in Licht getaucht, der Fußboden, mit einem dicken Teppichboden ausgestattet, schluckte jedes Geräusch ihrer Schritte. An den Wänden hingen Bilder aus dem Leben und Wirken von Christus. Gern wäre Hanna stehen geblieben und hätte sie sich genauer angesehen, doch das musste warten. Erst brauchte sie Antworten. Professor Bartoli öffnete die zweite Tür auf der rechten Seite und ließ ihr den Vortritt. Zögernd machte Hanna einen Schritt hinein und blieb stehen. In ihr mischte sich Freude mit Unsicherheit, aber Letztere verschwand, als der Mann in dem Raum seine Arme ausbreitete. Sie lief hin, warf sich hinein und nun lösten sich die Tränen der Anspannung durch die Ereignisse. Er hielt sie im Arm und streichelte ihr über das Haar, bis sie sich beruhigte. Verlegen löste sie sich von ihm. Er reichte ihr ein Taschentuch aus
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