Hannas Entscheidung
verschieben. Er ließ sich vom Taxifahrer direkt in das Hilton an der Via Cola di Rienzo bringen. In dessen Nähe war nicht weit vom Petersplatz Bartolis Institut. Dessen Biografie und sämtliche Informationen, die Paul hatte auftreiben können, befanden sich auf seinem Laptop. Inzwischen hatte sich der Oberst beruhigt, und obwohl sich Ben ohne offiziellen Auftrag in Rom aufhielt, durfte er auf das Netzwerk der Spezialeinheit zugreifen. Genauso wusste er schon, dass die Befragung des Professors durch die italienische Polizei keine Ergebnisse gebracht hatte.
Studenten und Professor waren alle zusammen am Samstagabend eine Pizza essen gegangen. Sabine verabschiedete sich, und am Montag fand der Professor einen Brief von ihr vor, in dem sie ihm mitteilte, sie müsse nach Deutschland zurück. Ihrer Tante ginge es schlecht, und die Ärzte hätten sie gebeten zu kommen. Natürlich wusste der Professor nicht, dass diese Tante in Wirklichkeit keine echte Tante von Sabine war. Also hatte Ben eine Ausrede, etwas das ihm die Hoffnung gab, dass Hanna die Gefahr gerochen und sich verdünnisiert hatte, sofern der Brief tatsächlich von ihr stammte. Das prüfte zurzeit die Polizei in Deutschland.
Nachdem er im Hotel eingescheckt hatte, entschloss sich Ben zu einem Gang durch die Stadt. Sein Weg führte ihn über die Strecke, die sie bei ihrer Sightseeing-Tour genommen hatten. Für zufällige Beobachter unterschied er sich in nichts von den zahlreichen anderen Touristen, die durch die Stadt liefen. Er hingegen nahm jede Kleinigkeit wahr, musterte unauffällig die Leute um sich herum. Er wechselte mehrmals scheinbar ohne Grund die Straßenseite, wählte ruhigere Gassen oder blieb abrupt vor einem Geschäft stehen. Es fielen ihm keine Verfolger auf, dennoch ließ er sich nicht dazu verleiten, an Hannas Pension vorbeizugehen. Auch dort war die Polizei gewesen, und Schwester Valentina hatte den Beamten erzählt, dass Sabine Schmidt am Sonntag nach Deutschland abgereist sei, nachdem sie einen Anruf erhalten hätte. Ben suchte sich ein Restaurant in der Nähe der spanischen Treppe. Er beobachtete das Treiben auf den Straßen Roms, während er in seinem Innersten der Hoffnung einen kleinen Platz einräumte, dass Hanna lebte.
Was würde sie tun, wenn sie feststellte, dass ihre Tarnung aufgeflogen war? Sie hatte keinen Kontakt zur Polizei aufgenommen. Ben durchdachte die Möglichkeiten, die sich aus den bisherigen Fakten ergaben. Die schlimmste Alternative trotz des Briefes und trotz der Aussage von Schwester Valentina über einen geplanten Aufbruch war, dass sie nicht freiwillig gegangen, sondern unter Druck gesetzt worden war und die FoEI sie geschnappt hatte. Für diesen Fall fragte er sich, weshalb sich die Organisation so viel Mühe gab, es als eine normale Abreise erscheinen zu lassen. Als zweite Alternative galt, dass aufgrund seiner undurchdachten Handlung die Leute der FoEI auf Hannas Spur gelockt worden waren, sie es bemerkt hatte und flüchtete, ohne sich an die Polizei zu wenden, weil sie ihnen nicht traute. Dritte Alternative: Alles, was sie herausgefunden hatten, stimmte. Das überprüfte die Polizei in Deutschland zurzeit, und ihm blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis er das Ergebnis kannte. Bis dahin würde er diese letzte Alternative als Option im Kopf behalten. Allerdings fragte er sich, weshalb sich Sabine alias Hanna in diesem Fall nicht bei ihrer Kontaktperson gemeldet hatte. Dass sie sich für die Tante in ihrem gefakten Lebenslauf verantwortlich fühlte, passte zu ihr. Sie besaß einen ausgeprägten Familiensinn, der sie mehr als zwölf Jahre daran gehindert hatte, ihren Stiefvater für das zur Verantwortung zu ziehen, was er ihr angetan hatte. Die Spuren waren kalt gewesen, und die Polizei hatte nur mit dem arbeiten können, was aus der damaligen Polizeiarbeit zur Verfügung stand. Wäre sie damals zu einer Aussage bereit gewesen, da gab Ben seinem Oberst absolut recht, so hätten sie sich an seine Fersen heften können. Wer wusste schon, ob die FoEI ohne Armin Ziegler und vor allem ohne Konstantin Wolff überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine solche Machtposition einzunehmen.
Konstantin Wolff, der Berater für die Vermittlung von internationalen Rüstungsaufträgen an deutsche Unternehmen. Er gehörte zu den Menschen mit einem untrüglichen Gespür dafür, wann es Zeit wurde, von der Bildfläche zu verschwinden. Seine politischen und militärischen Kontakte machten die Nachforschungen zu seiner
Weitere Kostenlose Bücher