Hannas Entscheidung
sich. »Wir haben noch ein anderes Problem.« Er starrte auf eine Mappe, die vor ihm auf dem Tisch lag, rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Schließlich hob er den Kopf und sah Hartmann direkt in die Augen. »Wir haben den Kontakt zu Sabine Schmidt verloren.«
Bens Puls beschleunigte sich augenblicklich. In seinem Magen bildete sich ein Klumpen.
Niemand sagte etwas. Paul begann, auf seinem Laptop zu tippen.
»Wann?«, fragte der Oberst schließlich kalt.
»Am Freitag hat sie sich das letzte Mal bei ihrer Kontaktperson gemeldet«, erklärte Sven.
»Mit anderen Worten, wir sprechen von einem bis vier Tagen.« In Ben rasten die Gedanken, was in vier Tagen alles geschehen konnte. Verdammt! Er selbst hatte die Leute auf ihre Spur gebracht.
Gerhard Konz‘ Aufmerksamkeit wechselte zwischen Oberst Hartmann und Major Wahlstrom. »Sie sind Zwillingsschwestern. Es könnte also durchaus sein, dass gestern nicht Marie bei Lukas Benner war, sondern – sie.«
»Das ist jetzt nicht dein Ernst.« Hartmanns Stimme war eiskalt. »Du glaubst, Hanna würde vor Gericht aussagen und sich in das Zeugenschutzprogramm des BKA begeben, um dann als ihre eigene Zwillingsschwester getarnt zurückzukehren? – Und ihren Schwager zu töten? – Und das wie?«
Ben kam die Angelegenheit gleichermaßen absurd vor, dennoch konnte man diese Möglichkeit nicht ausschließen. In der Haltung von Gerhard Konz sah er, dass dieser es absolut ernst meinte. Er hatte sich zurückgelehnt, die Hände vor der Brust verschränkt, und fixierte Hartmann mit einem undurchdringlichen Blick.
»Und aus welchem Grund sollte sie sich dazu entschlossen haben, Gerhard?«
»Weil sie von jemandem erfahren hat, dass wir Lukas ein Angebot gemacht haben, den Strafvollzug aufzuheben, wenn er gegen die FoEI aussagt.«
»Und mit jemandem meinst du mich?«
Konz´ Blick wanderte zu Ben.
»Oder Major Wahlstrom.« Er richtete seine nächsten Worte direkt an Ben. »Waren Sie es nicht, der sie aus dem Feuer geholt, sie außer Landes geschafft und uns erst danach darüber informiert hat?«
Ben holte Luft, doch bevor er antworten konnte, sah er die Warnung in den Augen seines Vorgesetzten und schwieg.
Sven beugte sich vor. »Vielleicht sind wir mit unseren Schlussfolgerungen etwas vorschnell. Erst mal sollten wir die genaue Todesursache von Benner kennen. Vielleicht war es ja tatsächlich Herzversagen und wir rennen uns hier umsonst die Köpfe ein. Dann sollten wir abwarten, ob sich Sabine noch bei ihrer Kontaktperson meldet. Immerhin kann irgendetwas sie in den letzten Tage daran gehindert haben.«
»Und was, wenn die FoEI längst auch Hanna Rosenbaum auf dem Gewissen hat?«
Seine Befürchtung laut ausgesprochen zu hören, ließ Bens leeren Magen zusammenkrampfen.
»Auch das schließen wir nicht aus«, antwortete Sven. »Wir haben über Interpol ihre Beschreibung herausgegeben und lassen gerade prüfen, ob nicht identifizierte Frauenleichen in Italien aufgetaucht sind, auf die sie passen. Sie ist auf die Fahndungsliste gesetzt worden. Die Suche wird auf ganz Europa ausgedehnt, sofern sich bis nächste Woche keine Ergebnisse zeigen.«
»Trotzdem möchte ich meine Frage hier nochmals offiziell formulieren«, mischte sich Konz wieder ein. »Hast du, Karl, oder haben Sie, Major Wahlstrom, Frau Rosenbaum von unseren Verhandlungen mit Benner informiert?«
Das klappernde Geräusch des Laptops stoppte.
»Niemand aus meiner Abteilung hatte Kontakt mit Frau Rosenbaum, seit wir sie in eure Obhut übergeben haben. Ausnahme ist die Verhandlung, bei der ich Hanna ihre neuen Papiere übergeben habe.« Die Lüge ging Oberst Hartmann glatt über die Lippen. Er erhob sich. »Danke, Gerhard, dass ihr uns über die Situation informiert habt.«
Gemeinsam verließen sie schweigend das BKA.
Draußen wandte sich der Oberst an Ben: »Ihre Schwester meinte, sie könnten nächste Woche nach Calw zum Training. Kommen Sie doch heute später noch mal in der Zentrale vorbei.«
Ben verstand die verdeckte Botschaft seines Vorgesetzten. Dennoch fuhr er zuerst nach Hause und zwang sich, drei Stunden zu warten. Die Zeit verbrachte er damit zu duschen, seine Sachen zu packen, etwas zu frühstücken und die Wohnung auf seine längere Abwesenheit vorzubereiten.
»Verdammt«, fluchte der Oberst und warf das Telefon zurück auf die Station.
Ben stellte keine Fragen, er wartete einfach ab, während er zusah, wie sich Hartmann die Haare raufte. Schließlich seufzte er abgrundtief, lehnte sich in
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