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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Haltung signalisierte sie ihm ihre Unsicherheit – und ein schlechtes Gewissen.
    »Stimmt«, bestätigte er mit einem süffisanten Lächeln. »Ich bin hergekommen, um mit dir über Hanna zu reden.«
    »Hanna ist tot«, erwiderte sie brüsk, aber viel zu hastig, und gleichzeitig bewegten sich ihre Augen. Nein, das hatte nichts mehr mit der Marie zu tun, die hinter einer Sonnenbrille ihre verweinten Augen verbarg, während sie eine Rose auf das Grab ihrer Schwester legte.
    »Bist du dir da sicher?«
    »Du kannst ihr Grab besuchen, aber das weißt du sicher und du kennst es wohl auch.«
    »Sie ist nicht tot.«
    Marie richtete ihren Oberkörper auf, schlug die Beine übereinander und umfasste ihre Knie, indem sie die Hände davor verschränkte.
    »Und wer liegt dann in dem Grab?«
    »Lass uns aufhören mit dem Spielchen. Wir beide wissen, dass Hanna lebt, und aus deiner neuen Frisur schließe ich, dass ihr euch bereits getroffen habt.« Er beugte sich vor, fixierte sie.
    Sie rutschte weg von ihm.
    »Was immer ihr beide mit eurer gegenseitigen Angleichung bezweckt, ihr könnt uns nicht täuschen. Abgesehen davon ist es ein verdammt gefährliches Spiel, was ihr da spielt. Sag ihr, sie soll sich bei mir melden.«
    »Bei dir? Ausgerechnet bei dir! Du hast sie doch überhaupt erst in diese Scheiße geritten.«
    »Ja, das habe ich, und ich hole sie da auch wieder raus.«
    Ein kurzes Klopfen, und die Tür ging auf, bevor Marie die Erlaubnis erteilen konnte.
    »Ihr Termin mit der Arbeitskreissitzung, Frau Ziegler.«
    Der Blick der Assistentin wanderte von ihrer Chefin zu Ben, der spürte, dass sie auf sensible Weise die Spannung erfasste, die im Raum herrschte. Eine wirklich gute Assistentin, dachte er.
    »Verzeihung, aber Sie wissen, wie wichtig die Sitzung ist.«
    »Schon gut, Jenny, Herr Wahlstrom und ich sind sowieso mit unserem Gespräch fertig.«
    Sie stand auf, und Ben folgte ihrem Beispiel. Er hatte sein Ziel erreicht, Marie Ziegler zu verunsichern und festzustellen, ob Hanna bereits in Kontakt mit ihr stand. Außerdem setzte er darauf, dass das Büro überwacht wurde. In diesem Fall wusste nun auch die Gegenseite, dass man verstanden hatte, worum es ging. Das würde alle in Zugzwang setzen, und er brauchte jetzt nur noch darauf zu warten, dass Marie ihn zu ihrer Schwester führte – oder zu hoffen, dass Hanna schlau genug war, sich in seine Hände zu begeben.
     
    Die letzten Tage hatte Hanna in Annas Wohnung verbracht. Mit einer Ausnahme, als sie sich etwas zu essen kaufte. In der Wohnung herrschte chronische Ebbe an jeglichen Lebensmitteln. Ohne Essen konnte Hanna nicht denken, aber das musste sie. Marie hatte ihr das Passwort für den Internetzugang von Anna besorgt. Einer der wenigen Luxusgegenstände, die sich Hanna erlaubt hatte, war ein neues MacBook Air gewesen. Leider gab es für sie in puncto Sicherheitsfeature nur noch die Standardsoftware, keine Speziallösung von Viktor. Mit dem Gedanken daran, welche Informationen der von Ben eingeschleuste Trojaner damals im System gesammelt hatte, bewegte sie sich vorsichtig im Netz. Ihre einzige Chance, aus der Situation herauszukommen, sah Hanna darin, Viktor zu finden. Im Gegensatz zu Ben oder auch Marie war sie davon überzeugt, dass er sie nicht verraten hatte. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte er sie wesentlich einfacher und schneller ans Messer liefern können. Stattdessen hatte er es ihr ermöglicht, in das System von Medicare einzudringen. Und hätte Lukas etwas davon gewusst, hätte er es dann nicht erzählt oder zumindest wissen wollen, was sie gefunden hatte? Nein, sie wusste nicht, welches Spiel Viktor gespielt hatte, aber er war ihr treu gewesen. Jetzt brauchte sie seine Hilfe und sein Wissen. Er hatte das Netzwerk von Medicare betreut. Wenn einer gelöschte Daten wieder herstellen konnte, dann er. Sie verbot sich den Gedanken, dass die Informationen für immer verloren sein könnten. Doch wie sollte sie Viktor finden? Als vielversprechendster Weg erschien es ihr, im Netz zu suchen. Sie hatte sich verschiedene Mail Accounts angelegt, mit Pseudonymen und Pseudoadressen. Für das Surfen im Internet verwendete sie alle Sicherheitseinstellungen, die der Webbrowser hergab. Kein Speichern von Cookies, kein Aufzeichnen von Wegen und auch keine Verwendung des Cache. Sie suchte die Spielplattformen der Online Gamer auf, bewegte sich in Foren, lernte die Fachbegriffe, las und hörte zu. Eine zermürbende Aufgabe und frustrierend dazu, weil sie noch nicht mal

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