Hannas Entscheidung
oder nicht? Ich meine, immerhin sind sie Zwillinge und sehen sich verdammt ähnlich.«
Er hob die Hand, brachte sie zum Schweigen, sortierte seine Gedanken. Das war die Lösung. Das war das Geheimnis.
»Natürlich. Sie beschützt Marie.«
»Seid ihr wahnsinnig? Es ist kurz nach sechs.«
Vor Schreck fiel Lisa der Keks aus der Hand. »Tom! Musst du mich immer so erschrecken? Mein Herz!«
»Hast du die Kekse allein aufgegessen?«
Ben sah auf die Packung Prinzenrolle, die zur Hälfte leer war. Seine Schwester blickte auf den Keks in ihrer Hand. Er nahm ihn ihr ab, biss die Hälfte ab. »Nicht ganz.«
»Du solltest dich nicht auf ihre Seite stellen. Ihre Werte sind viel zu hoch. Lizzy, du bist Ärztin, du weißt, dass du mit Süßigkeiten im Moment vorsichtig umgehen solltest.
Ben stand auf. Das war nicht sein Schlachtfeld. Er beugte sich zu seiner Schwester, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf die Stirn. »Danke. Du hast mir sehr geholfen.«
Am Sonntag traf er sich mit Oberst Hartmann im Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Dort setzten sie sich gegenseitig auf den neusten Stand der Erkenntnisse. Dabei unterschlug Ben, dass Hanna zwei Tage in seiner Wohnung verbracht hatte, während er in Rom herumgeturnt war. Dass es bei dem Überfall auf das afrikanische Dorf nicht um die Verdeckung eines Medikamentenskandals gegangen war, sondern um das Auslöschen von Informationen über ein Heilmittel gegen HIV, warf auf den gesamten Ablauf ein neues Licht.
»Das heißt, wir müssen das Ganze noch mal unter einer anderen Perspektive betrachten. Verstehe ich Sie richtig?«, zog der Oberst dieselben Schlussfolgerungen wie Ben. »Wussten Sie, dass Konstantin Wolff vor ein paar Wochen in Berlin war?«
Ben schüttelte den Kopf.
»Und noch mal als Armin Ziegler aus dem Knast kam. Außerdem war er einen Monat vor der Geiselnahme in Algerien – offiziell im Auftrag von Thyssen Krupp wegen neuer Waffenlieferungen an den Staat.«
»Er weiß, dass wir ihn im Auge haben und er hat sich noch nie einen Fehler geleistet.«
»Nein, das ist richtig, aber wir sind nicht die Einzigen, die ihn im Auge haben.«
»Sie meinen die Amerikaner, Briten, Russen und wer sonst noch so alles da unten unterwegs ist?«
»Ich meinte eher die Kirche, oder genauer – Kardinal Voigt«, konkretisierte der Oberst.
»Voigt?«
»Ja. Er hat damals bei der Entführung von Hanna den Namen Wolff ins Spiel gebracht, und erst so sind wir später auf den Zusammenhang zwischen Wolff und FoEI gestoßen.«
»Wolff hat Hannas Entführung veranlasst?«
»Armin ist Geschäftsmann, er hat keine Kontakte zu dem kriminellen Milieu. Wolff hingegen bewegt sich in diesen Kreisen genauso geschickt wie auf dem politischen Parkett. Der Kardinal ging davon aus, dass er Ziegler die Männer vermittelt hat. Und gerade, als wir den beiden in dieser Richtung auf den Zahn fühlten, hat man sie mit einem Kopfschuss erledigt.«
»Während die Männer in den Händen der Polizei waren? Ein Scharfschütze?«, hakte Ben ungläubig nach.
»Nein, der Transportwagen wurde überfallen, die Männer befreit und später fanden wir dann ihre Leichen in der Spree. Und vergessen Sie nicht, wir haben die Information zugespielt bekommen, dass Lukas Benner dahinter steckt, der zu dem Zeitpunkt in Wolffs Unternehmen arbeitete.«
»Der Gefallen gegenüber einem – Vereinsmitglied – hängt Wolff die Polizei an die Fersen.«
»Ja, und das Opfer bringt seinen ehemaligen Mitarbeiter und seinen Vereinskumpel in den Knast«, ergänzte Hartmann.
»Und Hanna Rosenbaums Schwester finanziert womöglich die Entwicklung eines Heilmittels gegen HIV, eine Krankheit, die Medicare über die Therapiemedikation dauerhaft schönes Geld bringt und außerdem für eine instabile gesellschaftliche Lage in so manchen Konfliktregionen sorgt, die interessante Rohstoffe bergen. Wie überaus ärgerlich.«
»Wenn Wolff für den Tod von Leutnant Richter und Oberleutnant Mader verantwortlich ist, will ich ihn haben!«
Ben nickte grimmig. »Nicht nur Sie. Welche Informationen geben Sie an das BKA weiter?«
»Alle. Aber ich gebe Ihnen sechs Tage Vorsprung. Schaffen Sie es bis dahin, Hanna reinzuholen? Sie könnte für uns der Schlüssel sein, um Wolff zu knacken.«
»Sie ist irgendwo hier in Berlin. Ich finde sie. Und wenn ich jeden Stein umdrehen muss.«
14 Viktor
»Tut mir leid, Herr ...« Das charmante Lächeln der Brünetten war geradezu unwiderstehlich. Fragend richtete die Rezeptionistin
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