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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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ihre Hände auf die Tastatur hämmerten oder die Maus bewegten. Auch hier gab es keinen einzigen freien Platz, und erst jetzt bemerkte sie eine Tafel, auf der Nummern standen.
    »Hey, bist du überhaupt dran?«
    Ein bulliger Typ, gleiche Größe wie sie, packte sie am Arm, nicht schmerzhaft, aber unmissverständlich. Sie versuchte, einen verwirrten Eindruck zu machen, schätzte die Distanz zur Tür mit dem Nummerncode ein. Ohne von ihrer Existenz zu wissen, hätte sie die Tür überhaupt nicht bemerkt, so sehr verschmolz sie mit der Wand. Sie sah die Videokameras, die sich auf sie richteten.
    »Nein. Ich bin nicht zum Spielen hier.«
    Der Türsteher drehte sie um. Freundlich, aber bestimmt packte er ihre Schulter und schob Hanna in Richtung der Tür, durch die sie hereingekommen war.
    »Dann hast du hier auch nichts verloren.«
    »Hi, Acid Burn – Lust auf ein Spiel der besonderen Art?«
    Ein Typ mit kurzen Haaren, die an den Spitzen weiß gefärbt waren, einer dunklen Sonnebrille, schwarzem T-Shirt, schwarzer Jeans, Boots und einer langen Lederjacke tauchte neben der Tür auf. Seine Handgelenke waren mit Lederbändern und Nieten bestückt. Sein Blick fiel auf den Türsteher, der hinter Hanna stand.
    »Geht klar, Mike, ich übernehme sie ab hier.«
    Bevor Hanna nachdenken konnte, stand sie bereits in dem Raum mit den Servern. Paddy, der mittendrin war, hob kurz die Hand zum Gruß.
    »Schön, dass du allein gekommen bist.«
    Ihr Begleiter hob die Sonnenbrille.
    »Viktor?«, stieß sie verblüfft aus.
    Er grinste sie an. »Hi Hanna.«
     
    Sie saßen in Paddys Wohnung am Küchentisch, sahen sich gegenseitig an und fanden keine Worte. Stunden hatten sie gemeinsam geschwiegen, ohne dass es sich komisch angefühlt hätte. Sie kannten sich so lange. Sie wusste das Schlimmste von ihm, war für ihn da gewesen, als er sie am dringendsten brauchte. Sie suchte nach dem Vertrauten in seinem Gesicht und fand es in der Linie seiner Augenbrauen, der Nase und den Lippen. Sie kannte die Narbe an der Schläfe, die von dem Fahrradunfall in seiner Kindheit stammte. Aber diese kurzen Haare – der schwarze Farbton mit den weißen Spitzen, der Ausdruck in seinen Augen, die Wangenknochen, die hart hervortraten. Es erschien ihr seltsam, mit ihm an einem Tisch zu sitzen, und erst hier in der Küche spürte sie, wie sehr Nina Spuren in ihrem Leben hinterlassen hatte. Der quirlige, lebendige Lockenkopf, die Frau, die so endlos quasseln konnte, die mit ihrer fröhlichen Art jeder Situation die Spannung nahm. Bei ihrem letzten Treffen hatte Nina mit ihnen an diesem Tisch gesessen.
    »Also, ich weiß echt nicht, wo ich anfangen soll«, durchbrach Viktor die Stille zwischen ihnen. »Mir war nicht klar, wie weit Lukas gehen würde, und ich hätte nicht erwartet, dass er versuchen würde, dich zu töten. Hanna, wenn ich das gewusst hätte –« Er brach ab schüttelte den Kopf.
    »Was ist Nina passiert?«
    »Gleich rein in die Scheiße, hm? Kein Small Talk oder Vorfühlen.«
    Sie schwieg beobachtete ihn. Was sie sah, gefiel ihr nicht. Er schob die Unterlippe vor, kaute darauf herum. Das kurze wütende Aufblitzen entging ihr nicht, bevor er sein Gesicht halb von ihr abwendete.
    »Die wussten von Anfang an, dass sie ein Maulwurf vom BKA war. Ich glaube sogar, dass sie sie genau aus diesem Grund eingestellt haben.«
    »Und du?«
    »Ich hab sie geliebt.«
    Seine Worte trafen Hanna tief und trieben Tränen in ihre Augen.
    »Oh Gott!«
    Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und verbarg sein Gesicht in den Händen. Seine Schultern bebten, und sie wollte erst die Hand ausstrecken, um ihn zu trösten. Doch es war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Erst musste er loswerden, was ihm auf der Seele brannte. Und es war keine unschuldige Seele, die vor ihr saß, so sehr sie es auch gehofft hatte.
    »Wir sind an dem Abend zusammen in meine Wohnung, haben uns geliebt. Normalerweise blieb sie und schlief bei mir, aber da ist sie nach Hause gegangen. Sie hätte noch eine Festplatte liegen gelassen, mit Daten, die sie unbedingt für den nächsten Tag bräuchte, und wir würden uns ja bei der Arbeit sehen. Ich wusste gleich, das ist eine Ausrede. Vielleicht habe ich auch schon länger geahnt, dass mehr dahintersteckt. Die Art, wie sie auf alles reagierte, was du erzählt hast, ihre genauen Kenntnisse der Infrastruktur von Medicare. Während sie noch bei mir geduscht hat, brachte ich einen meiner neuen Trojaner auf ihr System. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht,

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