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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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bereute, wenn er nicht um Vergebung bat, dann würde er am Ende dafür in der Hölle schmoren. Sie betrachtete seine roten, verquollenen Augen, sah, wie er seine Hände knetete, sah die wütend zusammengepressten Lippen, die scharfen Linien in seinem Gesicht. Nein, korrigierte sie sich, er lebte bereits darin.
    Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf.
    »Was hast du vor?«
    »Schick das File an die E-Mail-Adresse von meinem Account.«
    »Und dann?«
    »Sorge ich dafür, dass es in die richtigen Hände kommt.«
    Er sprang auf, versperrte ihr den Weg und packte sie am Arm. Seine Jacke stand weit offen. Das T-Shirt hing schlabbrig an seinem Oberkörper. Er war so dünn, nur Haut und Knochen. Eindringlich sah er sie an.
    »Du kommst nicht gegen sie an, Hanna, sie werden dich töten.«
    »Es geht nicht mehr nur um mich, Viktor.«
    »Um wen dann? Marie? Bist du blind, Hanna? Mach mal die Augen auf! Sie ist mit dem Scheißkerl verheiratet.«
    »War.«
    »Ach ja, und deine Mutter? Mit wem ist die verheiratet? Sie hat sich nicht scheiden lassen, sondern auch noch alles gerechtfertigt, was er dir angetan hat. Und welchen Namen hat deine Schwester wieder angenommen? Rosenbaum? Wer hat das Sagen bei Medicare?«
    Ihr Schweigen ermutigte ihn. »Komm mit. Ich habe genug Geld beiseitegeschafft. Wir können unbeschwert davon leben, zwar nicht hier in Deutschland, aber wann warst du schon je hier.«
    Sie sah in an.
    »Du hast mich gesucht. Ich hab dir was bedeutet. Du bist hergekommen.« Er hob seine andere Hand, streichelte ihr über die Wange.
    »Ja, weil ich meinen Freund gesucht habe.«
    »Du hast ihn gefunden, Hanna. Du und ich, wir gehören zusammen. Vergiss, was passiert ist – unser bisheriges Leben. Lass uns neu anfangen. Wir beide zusammen.«
    »Nein, Viktor.« Sie löste seine Hand von ihrem Arm. »Unsere Wege haben sich längst getrennt.«
    Der Schmerz in seinen Augen, die Verzweiflung, die sich in seinem Gesicht spiegelte, schnitt ihr ins Herz. »Wer Vergebung möchte, der muss sie wirklich wollen, muss sie suchen, darum bitten. Er muss sich selbst vergeben, seine Schuld auf sich nehmen und bereuen. Kannst du das?«
    Er schwieg, drehte seinen Kopf von ihr weg. Sie trat auf ihn zu, streichelte seine Wange. Er fasste ihr Handgelenk.
    »Bleib bei mir.«
    »Ich kann nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich meine Augen nie mehr vor der Wahrheit verschließen möchte.«
    Seine Gesichtszüge versteinerten, der Griff um ihr Gelenk wurde fester. Er zog ihre Hand von seinem Gesicht, wandte sich ab. Sie starrte auf seinen Rücken und wusste, dass sie ihm nicht helfen konnte. Er musste seine eigenen Entscheidungen treffen, so wie sie es getan hatte. Still ging sie zur Tür. Jeder Schritt führte sie weiter weg von ihm.
    »Warte.«
    Sie blieb stehen. Er kam zu ihr und gab ihr einen USB-Stick. Sie starrte darauf. »Was ist das?«
    »Meine Lebensversicherung. Pass auf, was du damit machst.«
     
    Frisch geduscht und mit feuchten Haaren hockte sie im Wohnzimmer auf dem Fußboden, die Arme um ihre Beine geschlungen, das Kinn auf den Knien. In einem langsamen Takt wiegte sie sich hin und her. Sie hatte keine Ahnung, was ihre nächsten Schritte sein sollten. Viktors Worte über ihre Mutter und Marie hallten in ihrem Kopf wieder. Gleichzeitig dachte sie an die Sache auf dem Friedhof, hörte die Stimme ihrer Schwester, wie sie erzählte, was sie getan hatte. Armin Ziegler – er hielt alle Fäden in der Hand. Konstantin Wolff hatte sie in Rom schnappen wollen. Seine Leute hingen Marie an den Fersen, nahmen ihr die Luft zum Atmen und würden dafür sorgen, dass sie nicht auf den Pfad zurückkehrte, den sie verlassen hatte. Das Heilmittel für HIV – verloren, bis jemand anders in der Forschung dieselbe Idee hätte wie Dr. Friederike Schneider. Wenn Viktor sagte, die Daten seien gesäubert worden, dann gab es keine Chance, irgendetwas davon zurückzuholen. Sie hatte überlegt, Onkel Richard anzurufen, den Gedanken aber verworfen. Was konnte er tun? Was er von ihr wollte, war ihr ohnehin bewusst – dass sie zum BKA ging. Aber was würde dann mit Marie passieren? Müde erhob sie sich. Morgen. Morgen war auch noch ein Tag.

15 Ben
    E r folgte Marie, als sie vom Büro in ihre Wohnung fuhr. Von den Informationen des BKA wusste er, dass sie ihr Haus verkauft und eine Eigentumswohnung am Prenzlauer Berg gekauft hatte – eine nette und teure Wohngegend. Zwei Männer in Anzügen folgten ihr. Sie hielten Distanz, gaben ihr Raum. Ben war sich nicht

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