Hanni und Nanni - Nannis neue Freundin (German Edition)
die Mauer. Um die Ecke standen die Köchin und das Küchenmädchen, die ein kleines Schwätzchen hielten, ehe sie das Abendessen vorbereiteten.
„Die Bauarbeiten beginnen so bald wie möglich“, erklärte die Köchin. „Frau Theobald hält die Situation für nicht unbedenklich. Ein Teil der Böschung ist ja durch den Regen schon abgerutscht. Die Direktorin hat Sorge um die Schülerinnen. Der Weg vor dem Eiskeller ist nicht mehr sicher. Sie meint, es wird höchste Zeit, dass der Radlader kommt und das alte Kellerloch endlich zuschiebt.“
Katrin hielt die Luft an. Die Fledermäuse! Die befanden sich doch schon im Winterschlaf! Und jetzt sollte die Tür zum Eiskeller verschlossen werden? Dann würden die kleinen Tiere lebendig begraben werden! Sie musste die Fledermäuse unbedingt befreien. So schnell wie möglich!
„Und wenn man den Eiskeller irgendwann doch noch mal braucht?“, fragte Ruby.
„Wozu denn?“, winkte die Köchin ab. „Es gibt doch Kühlschränke. Nein, nein. Und sollte doch einmal der Fall eintreten, gibt es ja immer noch eine letzte Möglichkeit …“
Aber das hörte Katrin schon nicht mehr. Sie war bereits auf dem Weg zu ihrem Zimmer. Sie brauchte einen Schukarton. Den musste sie mit vielen Papiertaschentüchern ausstopfen. In den Deckel würde sie Löcher bohren. Eine Tüte brauchte sie auch. Und, ja, eine Taschenlampe natürlich … Heute Abend, während die anderen beim Abendessen saßen, war der richtige Zeitpunkt, die Fledermäuse in ihr neues Winterquartier zu bringen. Und sie wusste auch schon, wo das sein würde. Es durfte bloß niemand erfahren. Denn Tiere waren in Lindenhof strengstens verboten.
Ein Herz für Tiere
Das schöne Wetter war vorbei. Katrin schaute in den dichten Regen hinaus, der wie ein düsterer Vorhang vor ihrem Fenster hing. Zum Glück hatten ihr die anderen die Geschichte von den Magenschmerzen abgenommen. Die waren jetzt beim Abendessen. Und sie war allein …
Katrin nahm all ihren Mut zusammen. Hier ging es um Leonie und Levin, zwei unschuldige Fledermäuse, die ohne ihre Hilfe lebendig begraben würden. Und Angst brauchte sie doch keine zu haben. Wer sollte sich da draußen im Regen schon herumtreiben? Gespenster gab es ja wohl nicht.
Entschlossen zog Katrin den Reißverschluss ihrer Regenjacke bis unters Kinn zu, nahm die Gummistiefel in die Hand, schnappte sich den Schuhkarton und schlich auf Strümpfen hinaus. Sie hatte keine Zeit zu verlieren. Vor dem Zubettgehen mussten Levin und Leonie in Sicherheit sein.
Totenstill lagen die Flure von Lindenhof da. So einsam wie jetzt war es sonst höchstens nachts. Katrin war es ein wenig unheimlich, als sie durch die dämmrigen Gänge schlich. Die Lampen gaben nur ein mattes Licht.
An der Hintertür schlüpfte sie in die Gummistiefel. Dann trat sie in den Regen hinaus. Sie vermied die Kieswege, um keine Geräusche zu machen. Zur Sicherheit! Lieber schlich sie übers nasse Gras von Busch zu Busch. Gruselig war das!
Die erleuchteten Fenster des Speisesaals warfen ein helles Licht in den verregneten Park. Sie sah die Köpfe der Mädchen, die beim Abendessen zusammensaßen. Jetzt riss jemand ein Fenster auf.
Erschrocken duckte sich Katrin hinter den nächsten Busch. Ein Tropfenregen ergoss sich über ihr Gesicht. Hatte man sie gesehen?
„Ich glaube auch, Frau Theobald“, hörte sie Frau Roberts’ tiefe Stimme herausdringen. „Diese schöne kühle Luft … Ein wenig lassen wir das Fenster noch offen, würde ich vorschlagen.“ Ihre Stimme wurde wieder leiser.
Katrin atmete auf. Man hatte sie nicht entdeckt!
Hastig schlich sie weiter. Endlich! Da war die Pforte, die den Weg durch die Parkmauer freigab. Prima – sie war noch nicht abgesperrt!
Katrin schob das Türchen auf und schlüpfte hinaus. Auf dem Waldweg begann sie zu rennen. Der Matsch quatschte unter ihren Stiefeln. Schwarz hoben sich die Tannen gegen den regengrauen Himmel ab.
Die letzten Meter musste sie über abgerutschten Schlamm und Geröll waten. Zum Glück war wenigstens die Holztür zum Eiskeller noch nicht unter dem rutschenden Schlamm begraben!
Katrin schob die schwere Tür auf und stand endlich in dem dunklen, feuchten Gewölbe. Mit zittrigen Händen suchte sie in der Tüte nach der Taschenlampe. Sie fand sie nicht gleich. Und dann stockte ihr der Atem. Da machte sich jemand an der Tür zu schaffen. Eindeutig! Ihr wurde kalt vor Schreck. Wer konnte das sein?
Mit angehaltenem Atem zog sie sich in die hintere Ecke des Gewölbes zurück.
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