Hanni und Nanni sind immer zur Stelle
„Oh, Petra! Du musst dich wehren! Erzähl wenigstens uns, was Alina mit dir macht. Warum du dich von ihr so ausnutzen lässt.“
Petra zog die Stirn in Falten und schielte nach ihrem Buch. Sie hatte den Eindruck, dass sie alles falsch machte. Alina war nicht zufrieden mit ihr. Und Hanni und Nanni waren es auch nicht.
Sie war hin- und hergerissen. Sie tat alles, was Alina von ihr wollte. Aber sie fühlte sich immer schlechter dabei. Gleichzeitig tat Alina ihr leid. Morgens weinte sie immer noch verzweifelt in ihr Kissen. Beim Frühstück fehlte sie nach wie vor. Und auch wenn Alina oft ausgelassen war und sich über alles lustig machte, hatte Petra immer den Eindruck, dass diese ganze Fröhlichkeit aufgesetzt war. Dass es Alina wirklich Anstrengung kostete, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Durfte sie all das Hanni und Nanni erzählen?
Abgesehen davon: Was wusste sie denn schon über Alina? Welche Probleme sie wirklich hatte, davon ahnte Petra selbst jetzt, nach all der Zeit, in der sie ein Zimmer teilten, immer noch nichts.
Petra holte tief Luft … und schwieg.
Hanni und Nanni gaben es für heute auf. Bei Petra liefen sie gegen eine Wand, die sagte kein Sterbenswörtchen. Sie mussten versuchen, ihr auf andere Weise zu helfen. Und sie hatten auch schon eine Idee, was sie tun konnten. Petra verbrachte ihre ganze Zeit nur mit Büchern – wenn sie nicht gerade mit Alina in ihrem Zimmer beschäftigt war. Das musste sich ändern! Und diesmal würden sie nicht so schnell aufgeben wie bei ihrem ersten Versuch.
Am Tisch von Frau Theobald war heute ein grau gekleideter Herr zu Gast. Das war ungewöhnlich. Die Mädchen schielten neugierig hinüber. Doch die Direktorin klärte sie nicht auf.
Auch Mamsell war zum Abendessen erschienen. Bleich und wortkarg zwar, aber immerhin: Sie nahm wieder an den Mahlzeiten teil.
Die Mädchen waren furchtbar lieb zu Mamsell. Ständig fragte jemand, was er ihr anreichen durfte. Sie sagten sogar Bitte und Danke auf Französisch, weil sie ihrer Lehrerin eine Freude machen wollten.
Mamsell lächelte. Die lieben, lieben Mädchen! Zugleich hätte sie sich tausendmal lieber auf ihrem Zimmer verkrochen, um in Ruhe ihre Angst vor der Zertifikatsprüfung zu vergessen.
Ohne Appetit häufelte sie sich ein bisschen Rührei auf ihren Teller.
Auch Petra wunderte sich heute über all die Schüsseln, die ihr ungefragt gereicht wurden.
„Noch Bohnensalat?“, lächelte Jenny sie an. „Oder lieber von dem Blumenkohl?“
„Probier mal den Schnittlauchquark“, meinte Bobby. „Der ist wirklich lecker.“
„Da, ein Brot“, kam es von links.
Und „Noch ein Mineralwasser für dich?“ von rechts.
Petra wurde ganz seltsam zumute. Was ging hier vor? War das einer von den üblichen Scherzen, die sich Jenny und Bobby so gern ausdachten?
Sogar die Erstklässler winkten strahlend zu ihr herüber, stellte Petra misstrauisch fest. Ach nein! Zum Glück! Die meinten nicht sie, sondern Jenny und Bobby.
„Helens Geld ist wieder aufgetaucht!“, riefen sie durch den halben Speisesaal. „Sie hatte es einem Hausmädchen zugesteckt, damit die ihre Kleider flickt. Jetzt sind wirklich auch noch die letzten Geheimnisse gelöst.“
Jenny und Bobby hoben den Daumen.
„Verstehst du, um welches Geld es geht?“, fragte Jenny ihre Freundin, doch die schüttelte den Kopf.
Nur Alina fühlte sich ein ziemlich unbehaglich am Tisch ihrer Klasse. Wenn sie etwas sagen wollte, redeten Jenny und Bobby über sie hinweg. Wenn sie nach einer Schüssel fragte, reichte niemand sie an. Nicht einmal Hanni, mit der zusammen sie doch für den Wettkampf trainierte, hörte ihr zu. Auch Petra fiel das auf. Mitleidig schob sie die Schüsseln zu Alina hinüber.
Alina biss die Zähne zusammen. Am liebsten wäre sie heulend aus dem Speisesaal gestürmt. Warum schnitten die anderen sie plötzlich? Hatte Petra sie überall schlecht gemacht?
Frau Theobald trat zu Mamsell und flüsterte ihr etwas zu. Mamsell schüttelte den Kopf. Sie sträubte sich. Aber dann stand sie doch auf und begleitete die Direktorin zu ihrem Tisch. Eilig wurde ein frischer Teller für sie neben dem fremden Herrn eingedeckt.
Der Herr begann sich mit Mamsell freundlich zu unterhalten, und bald schon wurde auch sie gesprächig. Zuerst sprachen die beiden über die herrliche französische Küche, wie aus den Wortfetzen zu schließen war, die durch das Stimmengewirr drangen. Dann kam man auf Paris, die Malerei, die Literatur und Flaubert … Es dauerte nicht
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