Hans Heinz Ewers
für seine Kunst stets wach erhielt.
So war Hong-Dok. Nicht einen Augenblick lang konnte es ihn berühren, als seine Frauen sich mit dem chinesischen Dolmetscher oder meinem Boy einließen. Hätten diese kleinen Extravaganzen Folgen gehabt, so hätte Hong-Dok die Kinder einfach ersäufen lassen, aber nicht aus Haß oder Rache, sondern nur so, wie man junge Hunde ersäuft – – man will sie eben nicht haben. Und hätte der Seekadett, als er Gefallen fand an Ot-Chen, ihn gebeten, sie ihm zu schenken, Hong-Dok hätte es sofort getan.
Aber der Seekadett kam in sein Haus als ein Herr – und er nahm ihm seine Frau wie ein Knecht. Am ersten Abend schon merkte Hong-Dok, daß dieser Legionär aus edlerem Holze geschnitzt war, als die meisten seiner Kameraden; ich ersah das daraus, weil er ihm gegenüber ein wenig aus seiner höflichen Reserve herausging. Und im weiteren Verkehr – das alles schließe ich nur – wird der Seekadett Hong-Dok gegenüber genauso gehandelt haben wie etwa einem Schloßherrn in Deutschland, dessen Frau ihm gefallen hätte. Er ließ alle Register seiner glänzenden Liebenswürdigkeit spielen, und es gelang ihm gewiß, Hong-Dok genauso zu bestechen, wie er stets mich und alle seine Vorgesetzten bezauberte: Man mußte schon diesen gescheiten, frischen und prächtigen Menschen lieb gewinnen. Und das tat Hong-Dok, tat es in dem Maße, daß er hinabstieg von seinem hohen Throne, er, der Herrscher, der Künstler, der weise Schüler des Konfuzius, daß er Freundschaft schloß mit dem Legionär und ihn liebte, sicher mehr liebte als je einen anderen Menschen.
Dann brachte ihm ein Diener die Botschaft – und er sah vom Fenster aus, wie sich der Seekadett mit Ot-Chen im Garten vergnügte.
Also deshalb kam der zu ihm! Nicht, um ihn zu sehen – nur wegen ihr, um einer Frau, eines Tieres willen! Hong-Dok fühlte sich schmählich betrogen – – o durchaus nicht wie ein europäischer Ehemann. Aber daß dieser Fremde ihm Freundschaft geheuchelt und daß er ihm wieder Freundschaft geschenkt hatte – das war es. Daß er in all seiner stolzen Weisheit der Dumme gewesen war gegenüber diesem niedrigen Krieger, der heimlich, wie ein Diener, seiner Frau nachstellte. Daß er seine Liebe verschwendet hatte an etwas, das so jämmerlich tief unter ihm stand.
Sehen Sie, das war es, was dieser stolze gelbe Teufel nicht verwinden konnte.
Ein Boy kam vom Garten herauf, brachte in silberner Schale frisch gepflückte Mangostmen. Der Alte schob sie mir hinüber, aß auch selbst eine der köstlichen Früchte – langsam und schweigend. Dann fuhr er fort:
Eines Abends trugen ihn seine Diener zum Bungalow. Er stieg aus der Sänfte und kam lächelnd hinauf auf die Veranda. Wie immer brachte er ein paar Geschenke mit, kleine Elfenbeinfächer, köstlich geschnitzt. Es waren noch ein paar Offiziere da, Hong-Dok begrüßte sie sehr liebenswürdig, setzte sich zu uns und schwieg; kaum drei Worte sprach er, bis nach einer Stunde die Herren sich verabschiedeten. Er wartete, bis der Trab ihrer Pferde sich am Flusse verlor, dann begann er ganz ruhig, ganz süß, als habe er mir die allerbeste Nachricht mitzuteilen: „Ich bin hergekommen, um Ihnen etwas zu sagen. Ich habe den Seekadetten und Ot-Chen gekreuzigt.“
Obwohl Scherze zu machen durchaus nicht die Art Hong-Doks war, hatte ich bei dieser verblüffenden Mitteilung doch nur die Empfindung: Dahinter steckt ein Ulk. Und mir gefiel sein trockener, selbstverständlicher Ton so gut, daß ich gleich darauf einging und ihn ebenso ruhig fragte: „So? Und was haben Sie sonst noch mit ihnen gemacht?“
Er antwortete: „Ich habe ihnen die Lippen zugenäht.“
Diesmal lachte ich: „Ach, was Sie nicht sagen! – Solche Liebenswürdigkeiten haben Sie den beiden erwiesen? – Warum denn?“
Hong-Dok sprach ruhig und ernst, aber das süße Lächeln verließ seine Mundwinkel nicht. „Warum? Ich habe sie – ,in flagranti’ erwischt.“
Das Wort gefiel ihm so gut, daß er es wiederholte. Er hatte es irgendwo gehört oder gelesen, und es erschien ihm ungeheuer lächerlich, daß wir Europäer besonderen Wert darauf legen, wenn man einen Spitzbuben gerade bei seiner Tat entdeckt: Als ob es nicht vollkommen gleichgültig wäre, ob man ihn dabei, oder vorher oder nachher erwischt. Er sagte das mit einer wichtigen Hervorhebung, mit einer leicht herausklingenden Übertreibung, die seine spöttische Verachtung so recht zeigte: „In flagranti. – Nicht wahr, da hat in Europa der
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