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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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und sie spürte einen Hauch Genugtuung.
    »Henrike, liebe Base, so geht das doch nicht! Du kannst nicht einfach hier hereinspazieren und die Hausherren links liegen lassen«, sagte er und zog sie an sich. Ihr Herz raste. Er würde sie doch nicht hier, in ihrem eigenen Haus   ... Sie wandte sich verzweifelt, sein fester Griff schnürte in ihre Haut.
    »Ich muss zu meinem Bruder!«, schrie sie.
    Griseus kam kläffend angerannt. Nikolas versetzte dem Hund einen so festen Tritt, dass er schrill jaulend an die Wand krachte.
    »Henrike?« Ihre Tante schoss durch den Flur zu ihnen, gefolgt von Ilsebe und Hartwig. Asta! Sie war wirklich ihr Schutzengel! Nikolas lockerte den Griff, funkelte die Frau an.
    »Zu dir komme ich später!«, flüsterte er Henrike ins Ohr, bevor er endlich von ihr abließ.
    Griseus hatte sich wieder aufgerappelt und knurrend neben Henrike aufgerichtet.
    »Aber Nikolas, Lieber, was ist hier los?«, wollte Ilsebe wissen.
    Ihr Sohn tat entrüstet. »Was für ein Benehmen ist es, einfach so in unser Haus einzufallen? Henrike sollte gelernt haben, was sich gehört.«
    Unser Haus? Henrike wünschte, sie hätte sich verhört. So weit ging der Besitzanspruch also schon. Widerwillig ging sie auf ihre Tante und ihren Onkel zu und begrüßte sie, wie es sich gehörte. Dabei wollte sie nur eines   – zu Simon! Aber wenn sie in Lübeck etwas erreichen wollte, musste sie sich fügen und gehorsam geben.
    »Verzeiht, aber die Sorge um Simon hat mich Sitte und Anstand vergessen lassen.« Mit Tränen des Zorns im Blick sah sie die beiden an, umklammerte Ilsebe Vresdorps Hand. »Es kommt gewiss nicht wieder vor, liebe Tante, lieber Onkel«, setzte sie mit leiser Stimme hinzu.
    Ihre Tante löste sich und sah von oben auf Henrike herab. »Nun gut, dann gehe jetzt zu deinem kranken Bruder«, sagte sie gnädig.
    Henrike schnappte nach Luft, doch sie musste sich beherrschen, um ihrer aller Willen.
    Endlich konnte sie die Tür zur Kammer aufstoßen. Was sie sah, bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen. Simon war auf sein Lager gestreckt. Unter den vielen Decken wirkte er zart wie ein Bettelkind am Ende des Winters. Sein Gesicht war hellrot und fleckig, die Haare klebten an seiner Kopfhaut. Sein Atem ging schnell. Henrike stürzte zu ihm, strich ihm über das Gesicht, wusste nicht, wo sie anfangen, wie sie helfen konnte. Trinken   – er musste trinken. Sie wirbelte herum, da war schon Asta bei ihr. Das Gesicht ernst, dennoch eine unendliche Gelassenheit ausstrahlend. Sie beugte sich über Simon, schlug die Decken zurück, untersuchte ihn. Dann öffnete sie den Beutel mit ihrenHabseligkeiten. Sie holte kleine Säcke mit Kräutern hervor und gab Henrike knappe Anweisungen. Sie machten Simon Umschläge um Brust und Beine, wechselten sie regelmäßig, wachten die ganze Nacht und den nächsten Tag an seinem Bett.
    Henrike verließ Simon nur, wenn es unbedingt nötig war. Asta verschwand einmal, um mit Hartwig Vresdorp zu sprechen. Telse kam ins Zimmer und begrüßte Henrike überschwänglich und laut wie immer. Henrike reagierte distanziert. Sie hatte in den letzten Wochen oft über das Verhalten ihrer Base nachgedacht. Hätte sie sich nicht mehr für Henrike einsetzen können, einsetzen müssen? Auch Jost suchte sie auf und entschuldigte sich bei ihr   – er habe auf Simon achtgegeben, aber die neuen Herrschaften und die Witterung   ... Auch einen Brief habe er schreiben wollen, aber die Arbeit   ... Henrike dankte ihm trotzdem. Sie hatte sonst niemanden in diesem Haus, der Simon hätte helfen können.
    Am Abend des zweiten Tages fielen Henrike übermüdet die Augen schon im Stehen zu, nur der Wille hielt sie noch aufrecht. Sie wollte an Simons Seite wachen. In eine andere Kammer zu gehen, in die in jedem Augenblick Nikolas treten könnte, kam ohnehin nicht infrage. Asta bereitete ihr ein Lager auf dem Boden und bestand darauf, dass Henrike sich hinlegte. Niemand hatte etwas davon, wenn sie auch noch zusammenbrechen würde. Schließlich gab die junge Frau nach.
    ~~~
    »Schwesterchen?«
    Henrike schoss hoch, wankte schlaftrunken. Simon war wach! Nach fast drei Tagen, in denen sie um ihn gebangt, um ihn gekämpft hatten! Fahl fiel das Licht des neuen Tages auf sein Gesicht. Asta saß an seiner Seite. Sie lächelte erschöpft, von der Schlaflosigkeit gezeichnet.
    »Das Fieber geht zurück. Ich glaube, er hat es geschafft. Ich lege mich jetzt hin, du weißt ja, was du zu tun hast«, sagte sie langsam, zog sich mit

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