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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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zu ihr aufsah. In der Hand hielt er ein Stück Wachs, das er wohl gerade geknetet hatte. Der barsche Tonfall ärgerte Henrike, was maßte sich dieses Mädchen an? Aber vielleicht hatte sie dieses Gespräch auch selbst ganz falsch angefangen.
    »Verzeiht, ich hätte mich vorstellen sollen. Ich bin Konrad Vresdorps Tochter und Erbin. Sagt mir also, bezieht Ihr das Wachs noch immer von ihm?«
    Nun schien ihr Gegenüber wieder wie ausgewechselt. »Hättet Ihr das doch gleich gesagt! Er hatte nie über mich zu klagen, der gute Herr Vresdorp. Immer habe ich gleich gezahlt. Nur einmal hat er mir etwas gestundet, aber er hat es wiederbekommen, sobald ich das Geld hatte. Nie bin ich ihm etwas schuldig geblieben«, brach es aus ihr heraus.
    Es klang, als hätte sie schon seit Jahren mit Henrikes Vater geschäftlichen Umgang gepflegt, dabei wirkte sie noch so jung.
    »Aber jetzt, der neue Herr! Die Pacht will er erhöhen! Kein Wachs hat er für mich zum vernünftigen Preis. Alles zu teuer! Ich muss wohl zu einem anderen Händler gehen.«
    Was bedeutete das? Warum war das Wachs auf einmal teurer? War es nicht besser, eine Kunden zu halten als ihn zu verlieren? Durchdringendes Tröten durchbrach Henrikes Überlegungen.
    »Ich werde mich darum kümmern«, versprach sie.
    »Habt Dank. Hier, ein kleines Geschenk für Euch und Eure Begleiterin.« Die junge Frau reichte ihr zwei Wachsherzen.
    Henrike ging zu Telse und gab ihr das Herz. »Du kannst es in der Kirche opfern und dabei an Jost denken«, sagte sie aufs Geratewohl und hatte dabei die Begegnung im Keller vor Augen. Die Reaktion ihrer Base zeigte, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag.
    Telse schnappte nach Luft, wirkte erst ertappt, dann erzürnt. »Was sagst du da? Woher willst du wissen   ...? Was redest du da!«
    Henrike ließ ihr Wachsherz in den Beutel gleiten, den sie am Gürtel trug. An wen würde sie denken, wenn sie es auf dem Altar opferte?
    »Warum regst du dich so auf, wenn es nicht stimmt?«, fragte sie augenzwinkernd.
    Telse blieb abrupt stehen, rief entrüstet: »Ich rege mich nicht auf!«
    Einige Marktkäufer starrten die beiden an, als warteten sie darauf, dass sie sich gegenseitig in den Haaren liegen und die Kleider vom Leib reißen würden. Doch schon einen Augenblick später zog ein erneutes Tröten ihre Aufmerksamkeit auf sich, das jetzt noch lauter geworden war. Henrike sah sich um.
    Eine kleine Prozession war auf den Markt eingebogen. Ein Büttel ging voran, das Gesicht knallrot vom Blasen des Hornes, gefolgt von einer hübschen Frau und einem weiteren Büttel. Die Bewegungen der Frau waren schleppend, was den zwei großen Steinen geschuldet war, die sie an einem Seil um den inzwischen wundgescheuerten Hals tragen musste. Henrike schauderte es, sie beschleunigte ihren Schritt, vorbei an Rathaus und Stadtwaage. Das Tragen des Schandsteins war eine Strafe für leichtfertige Frauen, für unzüchtige Weibspersonen und Verleumderinnen. Eine Frau, die mit diesem schimpflichen Umzug bestraft wurde, würde nie wieder ein ehrbares Leben führen können, zumindest nicht in ihrer Stadt.
    Mit ein paar Schritten hatte Telse ihre Base wieder eingeholt. »Na gut: Ja, ich mag Jost. Er ist so lieb, könnte niemandem ein Haar krümmen, das finde ich süß. Aber doch nicht so   ... Er ist doch nur ein Gehilfe«, wisperte sie.
    »Na und? Jeder Kaufmann hat mal als Gehilfe angefangen.«
    Telse wirkte niedergeschlagen, als sie antwortete: »Vater und Mutter wäre es nicht recht, das weiß ich. Jost ist nichts, hat nichts. Ich habe zwar keine so reiche Mitgift wie du, aber auch meine Heirat muss etwas einbringen. Außerdem wollen sie ihn loswerden. ›Zu viele Gehilfen fressen zu viel Brot‹, sagt Mutter.«
    Henrike strich über ihren Arm. »Was sie sagen und was sie tun, sind zwei Paar Schuhe. Sie können ihn nicht einfach so hinauswerfen, du wirst sehen«, beruhigte sie ihre Base.
    Insgeheim war sie sich aber selbst nicht mehr sicher, was ihren Verwandten alles zuzutrauen war.
    Auf dem Weg zu den Reliquien machten sie noch im Kloster Sankt Katharinen halt. Dort fragte Henrike nach Bruder Detmar. Tatsächlich konnte sie den Mönch einen Augenblick sprechen. Henrike fiel sofort seine neue Kutte auf. Ja, er habe das Geld, das Konrad Vresdorp ihm vererbt hatte, mit gebotener Demut angenommen. Zumindest darum hatte Hartwig Vresdorp sich wohl gekümmert, stellte Henrike erleichtert fest.
    ~~~
    Es war der letzte Sonntag vor der Ratswahl, und in allen Kirchen der Stadt

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