Hansetochter
Adrian hier eingelagert hatte. Die Salzspeicher waren aufgemauerte, nach oben und unten mit dicken Bohlen begrenzte Kammern, die vollständig mit Salz befüllt und dann vernagelt wurden. Auf der Tür des Speichers war verzeichnet, wie viele Tonnen, Lispfund, Wispel oder Scheffel Salz erenthielt. Auch wurden die Salzträger und Salzmesser streng vereidigt. Weil das Salz so kostbar war, wurde der Handel damit so streng überwacht.
Hermann Warendorp nahm die Zahlen an der Tür in Augenschein. Anschließend probierte er ein wenig aus einem Säckchen, das Adrian mitgebracht hatte, dann begann er zu sprechen. Er hört sich gerne reden, dachte Adrian, während sein Gegenüber Allgemeinbekanntes von sich gab, als handelte es sich um Neuigkeiten. Aber das Gebot der Höflichkeit verlangte, dass er ihm aufmerksam zuhörte.
»Mich wundert, dass Ihr es nicht längst verkauft habt. Die Nachfrage ist groß. Auch der Salzmarkt auf dem hiesigen Klingenberg ist nicht so gut versorgt wie sonst. Dabei wird für die Fangsaison reichlich Salz benötigt. Wenn man bedenkt, dass man ein Fass Salz braucht, um vier bis fünf Fässer Hering einzusalzen! An der Ostseeküste ist Salz Mangelware, zu wenig davon ist im Meerwasser, und die wenigen Salinen vor Ort wie in Kolberg geben zu wenig her«, sagte Warendorp.
»Mir ist an einem langfristigen Austausch mit dem Orden gelegen«, entgegnete Adrian. »Ich möchte einen Teil des Handels übernehmen, den Konrad Vresdorp mit dem Orden getätigt hat, wie Ihr wisst. Das Salz ist also für Euch reserviert, wir brauchen uns nur noch über den Preis zu einigen.«
»Ganz so einfach ist es nicht. Auch Hartwig Vresdorp möchte die Geschäfte seines Bruders fortführen, und er ist Angehöriger einer Familie, die eine lange Verbindung zum Orden hat.«
Diese Information war neu für Adrian, bislang war Hartwig Vresdorp nur bei den Schonen- und Bergenfahrern in Erscheinung getreten.
»Das wusste ich nicht.«
»Der älteste Bruder Vresdorp war in den Orden eingetreten. Er ist allerdings bereits zu Gott gegangen«, sagte Hermann Warendorp.
»Hartwig Vresdorps Geschäfte haben also Vorrang?«, fragte Adrian nach.
»Zumindest werden sie ebenfalls berücksichtigt. Was wollt Ihr für das Salz haben?«
Adrians Geduld wurde strapaziert, denn all diese Punkte hatten sie bereits durchgesprochen. Noch einmal betonte er die Güte des Salzes und den günstigen Preis. Warendorp wollte jedoch wesentlich weniger zahlen. So gab ein Wort das andere, eine Summe folgte auf die nächste. Nach zähen Verhandlungen glaubte Adrian schon, dass sie sich nicht mehr einig werden würden. Doch da erwähnte Hermann Warendorp Adrians Wunsch nach größeren Bernsteinmengen. Wollte er ihn etwa erpressen? Billiges Salz als Dank für seine Unterstützung beim Kauf von Bernstein? Unwillen stieg in Adrian auf. Das war typisch Deutscher Orden, dachte er. Die Ordensbrüder hatte er oft als Halunken im Namen des Herrn erlebt. Ihren Auftrag zur christlichen Nächstenliebe schienen sie ihrer Kampfmission geopfert zu haben. Und im Geschäftlichen konnten sie es mit den größten Halsabschneidern aufnehmen. Dabei durfte der Orden zwar Waren verkaufen, um seiner Armut abzuhelfen. Die Ordensregeln sahen aber nicht vor, dass er Gewinn erzielte, weder mit seinen Waren noch mit denen fremder Händler, wurde doch Gewinnstreben offiziell als sündig angesehen. Adrian unterdrückte seinen Widerwillen und kam Hermann Warendorp noch etwas weiter entgegen, so, wie er es bei einem weltlichen Kaufmann auch getan hätte.
»Und was ist mit dem Bernstein? Werdet Ihr befürworten, dass die Zunft der Paternostermacher in den Handel mit mir einwilligt?«, fragte er.
Warendorp zupfte einen Faden von dem aufgenähten halben Kreuz an seinem Umhang. »Ich werde es den Paternostermachern empfehlen, für dieses Mal zumindest. Über alles, was darüber hinausgeht, werde ich mit dem Großschäffer des Ordensin Königsberg sprechen müssen. Aber wann das sein wird, kann ich Euch natürlich noch nicht sagen.« Er machte einen neuen Preisvorschlag, und schließlich schlug Adrian ein.
Beim Hinausgehen winkte Hermann Warendorp den Arbeitern huldvoll zu. Es konnte nicht offenkundiger sein, dass er sich über den Kaufmannsstand erhoben fühlte.
Adrian stieg auf sein Pferd und trieb es am Fluss entlang. Immer wieder ging er die Verhandlung durch, überlegte, ob er etwas hätte besser machen können. Er hatte einen guten Preis erzielt, wenn auch sicher ein größerer Gewinn
Weitere Kostenlose Bücher