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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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nächstes Jahr schon längst im Grab, und ein anderer wärmt sich an meiner Frau.« Er erhob sich stöhnend. »Kommt, lasst uns ein Stück gehen. Die Bewegung treibt mir die düsteren Gedanken sicher aus.«
    Sie schritten nebeneinander her und sahen den Bauern zu, die auf den Hopfenfeldern das erste Grün hegten.
    »Ich beneide die Ackerleute. Sie haben ein einfaches Leben. Säen, hegen, ernten. Ein gleichförmiger Kreislauf, der immer von Neuem beginnt. Wir Kaufleute hingegen mühen uns oft ab, ohne dass etwas dabei herauskommt«, sagte Bruno Diercksen trübsinnig.
    »Beginnt nicht auch der Lebenskreislauf des Kaufmanns mit jedem Lenz stets von Neuem?«, gab Adrian zu bedenken. »Unser Leben ist beherrscht von Überfluss und Mangel, von Angebot und Nachfrage. Im Frühjahr ziehen wir los, kaufen und verkaufen den ganzen Sommer und Herbst über   – säen und ernten gewissermaßen   –, und im Winter hegen und pflegen wir unser Gut. Aber es stimmt, nicht jedes Saatkorn geht auf.«
    Die ehrgeizigen Pläne beispielsweise, die er und sein Bruder Lambert im Zusammenhang mit dem Deutschen Orden geschmiedet hatten, hatte er noch nicht umsetzen können. Undder Schiffbruch, bei dem seine Pelze und Felle verlorengegangen waren, war, um im Bild zu bleiben, wie ein Hagelsturm gewesen, der beinahe eine ganze Ernte vernichtet hatte.
    »Hattet Ihr schon Gelegenheit, etwas über den Angriff der Seeräuber auf die Cruceborch und den Schiffbruch der Gotthilf herauszufinden?«, fragte er nach.
    »Bisher noch nicht. Die Seeräuber haben sich offenbar aus dem Staub gemacht, ohne Spuren zu hinterlassen. Und was die Gotthilf angeht, haben meine Nachforschungen noch keine Ungereimtheiten ergeben. Aber ich halte Euch auf dem Laufenden«, versprach Diercksen.
    Zwei Schwäne glitten behäbig über die Baumwipfel, breiteten die Schwingen aus und ließen sich auf die Wakenitz sinken. Andächtig sahen die Männer zu, dann schließlich blickte der Alte seinen jüngeren Gefährten von der Seite an. Er wirkte wieder munterer. »Und wer wird Euch im nächsten Winter hegen und pflegen?«, fragte er halb ernst, halb im Spaß.
    Adrian lächelte bereitwillig. »Noch gibt es keine ernsthafte Kandidatin«, antwortete er wahrheitsgemäß.
    Der Ratsherr stützte sich mit beiden Händen auf seinen Stock. »Ihr seid ein guter Mann, Vanderen. Möglicherweise habe ich ein Angebot für Euch. Schaut doch wieder einmal zu einem Gastmahl bei uns vorbei.«
    »Mit Euch speisen würde ich sehr gerne wieder«, gab dieser zurück, »allerdings möchte ich Euch gerne zu mir einladen! Die ersten Räume meines neuen Hauses sind fertiggestellt. Wie wäre es also, wenn Ihr mich dort mit Eurer verehrten Ehefrau und Euren Kindern besuchen kommt? So kann ich Euch für Eure Hilfe danken und bei der Gelegenheit auch zahlen, was ich Euch schuldig bin.«
    Der Ratsherr nahm die Einladung an, und sie verabredeten sich für die nächste Woche.
    Der Wagen nahte heran, der Bruno Diercksen wieder in dieStadt bringen sollte. Adrian schwang sich auf den Rücken seines Pferdes und ritt zu den Salzspeichern. Sein Aufenthalt in Lübeck, die Reparatur des Schiffes und der Hauskauf hatten seine Geldreserven fast aufgebraucht. Es wurde Zeit, dass er endlich sein Baiensalz an den Mann brachte.
    ~~~
    Als Hermann Warendorp den Salzspeicher betrat, zogen die Arbeiter ehrfürchtig ihre Mützen vom Kopf. Nicht nur sein grauer Mantel mit einem halben Kreuz, die Tracht der weltlichen Angehörigen des Deutschen Ordens, war respekteinflößend, hinzu kam das Wissen, dass Warendorp einer der bedeutendsten Familien Lübecks entstammte. Konrad Vresdorp hatte an einem Abend ausführlich mit Adrian darüber gesprochen. Warendorps weit verzweigte Familie hatte mehrfach Ratsherren, Domherren und Bürgermeister gestellt. Der berühmte Brun Warendorp hatte die Lübecker Truppen im Krieg gegen Waldemar von Dänemark geführt und so den Frieden von Stralsund vorbereitet, war jedoch nach der erfolgreichen Belagerung von Helsingborg gestorben. Ein Haus der Familie befand sich in Adrians neuer Nachbarschaft in der Mengstraße. Dass ein Angehöriger einer bedeutenden Patrizierfamilie in den Orden eintrat, war nicht ungewöhnlich, und doch war es ein großer Schritt. Die Ordensmitglieder durften weltlich sogar verheiratet bleiben, unterstellten aber sich und ihren Besitz ihrer Bruderschaft, an die nach ihrem Tod auch ihr Erbe fiel.
    Nachdem sich die beiden Männer begrüßt hatten, gingen sie zu dem Baiensalz, das

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