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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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schien sich mit Stoffen auszukennen. Auch ihr Rock, bemerkte er, war einmal teuer gewesen. Jetzt aber konnte sie sich derart kostspielige Waren wohl nicht mehr leisten, das erkannte er an ihrer Reaktion auf die Preise. Jähes Mitleid überfiel ihn. So hart er auch verhandeln konnte, wenn er es mit anderen Kaufleuten zu tun hatte, so wenig mochte er armen Leuten das Geld aus der Tasche ziehen.
    Er wusste noch genau, wie es gewesen war, nichts zu haben, konnte sich daran erinnern, wie seine Mutter Silberkannen,Wachstafeln und schließlich Lumpen verkauft hatte, um über die Runden zu kommen. Sie hatte darum gekämpft, dass ihre Kinder immer genug zu essen hatten, und doch waren in dieser Zeit der Not zwei seiner Geschwister gestorben. Wenn nur sein Vater sich um die Familie gekümmert hätte, wie es sich gehörte! Aber der Wein hatte seine Sinne vernebelt, was in Adrian eine tiefe Abneigung gegen diese berauschenden Getränke erzeugt hatte. Er schob die düsteren Erinnerungen von sich und wandte sich wieder der Alten zu, die über den Samt strich und vor sich hinmurmelte.
    »Schön wie ein Kleid der Braut von Papedöne. Nichts mehr für ein altes Weib wie mich.«
    Adrian horchte auf. »Papedöne? Diesen Namen habe ich noch nie gehört.«
    Die Alte sah ihn an, ihren zahnlosen Mund zu einem Lächeln verzogen. »Ach, nur eine alte Geschichte«, sagte sie abwinkend, doch Adrian bat sie, zu erzählen; alten Geschichten konnte er nicht widerstehen.
    Rücksichtsvoll schob er ihr einen Schemel hin, auf den sie sich dankbar niederließ, bevor sie zu sprechen begann.
    »Unweit von Ratzeburg, auf der mecklenburgischen Seite, hat der Papedöne seine Mordgrube gehabt. Kaufleute beraubt und erschlagen hat er. Ihre Schädel aufgereiht und mit einem Schlegel darauf Musik gemacht. Sieben Frauen hat er nacheinander genommen. Jede hatte er erwürgt, bis auf die Letzte, die er zu lieb hatte. Sie ließ er in Samt und Seide gekleidet und mit Edelsteinen geschmückt in Lübeck auf den Markt gehen. Da sah sie auf dem Markt ihren Bruder, einen Kaufgesellen. Nicht sprechen durfte sie mit ihm. Deshalb kaufte sie einen Sack Grütze und streute sie hinter sich. So konnten die Lübischen ihr folgen, den Bösewicht fangen und ihn bis zu seinem Tode auf das Rad spannen. Aber die Frau ward nimmer gesehen.«
    Die Alte schob den Samt von sich und bat ihn, ihr ein paar Ellen von dem Lübischen Grauwerk abzuschneiden, einem einfachen, günstigen Stoff. Adrian kam ihrem Wunsch nach, legte ihr aber noch ein Stück von dem Samt dazu, der ihr so gut gefallen hatte. Freudig nahm sie die Stoffe an sich.
    Cord, der just in dem Moment zurückkam, als die Alte das Geld vor Adrian auf den Tisch zählte, stutzte.
    »Was ist?«, wollte Adrian wissen.
    Cord druckste, sagte dann, nachdem sie hinausgeschlurft war: »Aber Herr, war das nicht viel zu billig?«
    »Billig für viele andere vielleicht, nicht aber für sie«, sagte er. Mahnend hob er die Hand. »Aber solche Preise mache nur ich, vergiss das nie. Und nun habe ich Zeit für Amelius und Jost, du kannst sie hereinrufen.«
    Die Männer nahmen am Schreibtisch Platz und zogen ihre Mützen vom Kopf. Es stellte sich heraus, dass Amelius im Auftrag der Witwe auf der Cruceborch wieder nach Brügge reisen sollte. Da sich die Kosten für die Fracht auch nach den zu befördernden Waren richtete, mussten sie eine Weile verhandeln, aber schließlich waren sie sich einig.
    Adrian wandte sich nun an Jost. »Und du, was kann ich für dich tun?«
    Jost beugte sich vor und knetete seine Mütze in den Händen. »Ich bin auf der Suche nach einer neuen Anstellung und wollte fragen, ob Ihr nicht vielleicht Verwendung für einen Kaufgesellen habt.«
    Adrian glaubte trotz der Bitte eine Spur Abwehr in Josts Blick zu erkennen. »Wie kommt es, dass du nicht mehr in Hartwig Vresdorps Diensten stehst?«
    Der Gehilfe starrte auf die Spitzen seiner Lederschlappen.
    Nun beugte sich Amelius auf seinem Schemel vor. »Zu Unrecht hinausgeschmissen hat er ihn! Dabei kenne ich Jost seit unserer Lehrzeit und weiß, dass er fleißig und verlässlich ist. Hartwig Vresdorp hat ihm auch noch das Geld verweigert, das sein seliger Herr ihm vermacht hat«, warf er erregt ein.
    Jost schien dieser Einwurf unangenehm zu sein, er stieß Amelius offensichtlich unter dem Tisch mit dem Fuß an. Knapp fasste Jost den Vorfall mit der Wachshändlerin zusammen.
    Adrian kam bei dem Bericht ins Grübeln. Es könnte von Vorteil sein, Jost anzuheuern. Jost kannte Konrad

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