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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Wachs, Hanf, schwedisches Eisen, Teer und Pech, während die Einheimischen kaum mehr als Stockfisch, Tran, getrockneten Lachs und Seeforellenzu bieten hatten. Deshalb blieben die Fischer oder Norderfahrer ihnen stets etwas schuldig und mussten versprechen, im nächsten Jahr eine bestimmte Menge Bergenfisch zu liefern. Es war ein Kreislauf, der sich nur schwer durchbrechen ließ.
    Sie näherten sich dem Pier. Die Seeleute machten schon die Taue zum Anlegen bereit. Das Schiff schrammte leicht am Holz, die Seile wurden an Land geworfen. Unruhe machte sich unter den Kaufleuten breit. Nach wochenlanger Untätigkeit hatten sie ihr Ziel erreicht, und nun schien es sie keine Sekunde länger auf dem Schiff zu halten.
    Bernhard Steding legte Simon die Hand auf die Schulter. »Meine Familie lebt in der Nähe des deutschen Viertels. Wenn du also mal Hilfe brauchst, frag nach mir.«
    Nikolas schob Bernhard Steding beiseite und trat zwischen sie. »Deine Hilfe braucht er nicht«, raunzte er dem Kaufmann zu.
    Steding beugte sich ungerührt an ihm vorbei und nickte Simon freundlich zum Abschied zu. »Ich denke, er ist Manns genug, das selbst zu entscheiden.«
    ~~~
    Unzählige Menschen standen am Ufer. Arbeiter mit ihren Karren, Kinder, die lachend winkten, Alte mit eingefallenen Gesichtern in einfachen Kleidern, aber auch erstaunlich hübsche Mädchen und Frauen, die auf jemanden zu warten schienen. Als das Schiff anlegte, kam ein Mann an Bord und verkündete, dass niemand, weder Kaufmann, Schiffer, Bootsmann noch sonst jemand, bei zwanzig Talern Strafe Waren kaufen oder verkaufen dürfe, ehe sie nicht in Tyskebryggen gelöscht worden war. Obgleich auch die Einwohner von dieser Regel wussten, wurden die Ankommenden doch umringt und angesprochen, während sie abluden. Manche bettelten geradezu um etwas Roggen, der Hunger schien tatsächlich groß zu sein. Immer wieder mussten die Büttel einschreiten, um Verhandlungen zu unterbinden.
    Die nächsten Stunden vergingen in großer Geschäftigkeit. Simon wusste gar nicht, wo er zuerst anfassen, aber auch hinschauen sollte, denn da waren ja auch die hübschen Frauen, die bei den Männern, Seefahrern wie Kaufleuten, für Aufsehen sorgten. Der Wippebaum, ein starker Pfosten mit einem Holzbalken, schwang beständig hin und her. Die Waren wurden abgeladen und begutachtet, Zoll in Form von Mehl oder Malz an die Bediensteten von Schloss Bergenshus entrichtet. Schließlich wurden die Fässer und Ballen von Karrenführern in die Pfahlbauten gebracht, die zur Deutschen Brücke gehörten. Nikolas wies Simon an, beim Transport der Waren, die ihnen gehörten, mitanzufassen, als sei er ein einfacher Träger. Auch Claas musste so viel schleppen, dass er unter dem Gewicht schwankte.
    Simon verabschiedete sich noch schnell von Bernhard Steding und der Besatzung. Der Koch reichte Simon die Hand. Er würde mit dem Schiffer und der Mannschaft an Bord des Schiffes übernachten und so schnell wie möglich zurücksegeln. Sie wünschten einander Gottes Segen, vielleicht würden sie sich in Zukunft noch einmal über den Weg laufen. Als Simon hinter seinem Vetter auf die geschlossene Front der Holzhäuser zuging, konnte er sich nicht vorstellen, dass hier so viele Menschen lebten. Zwar lag Hof an Hof, doch die Giebel waren schmal. Jedes Haus zierte eine kleine Holzfigur, ein Erkennungszeichen wie ein Engel oder ein Einhorn. Manche Höfe schienen zusammenzugehören. Dann hatten zwei Häuser ein gemeinsames Eingangstor, das in die Wand, an der sie aneinandergrenzten, eingelassen war. Sie näherten sich einem dieser Doppelhöfe. Hier würde für die nächsten Monate ihr Zuhause sein. Aufgeregt betrat Simon zunächst die Packstube auf der Seeseite, einen geräumigen Vorraum, den beide Häuser teilten. Hier hingen Laternen an der Decke und eine große Waage, an den Seiten gab es Treppenaufgänge. Der Leiter des Hofes, Baumeister genannt, nahm sie in Empfang. Nachdem sie alle Waren verstaut hatten, führte er die Neuankömmlinge mit dem Gesellenobmann, der den Namen Otte trug, durch das Kontor. Erst als Simon einen Blick in den langgezogenen Innenhof warf, wurde ihm die Größe der Anlage vollends bewusst. In langen Reihen zogen sich die Gebäude hin. Eine Doppelreihe mit Wohnhäusern und Speichern bildete einen Hof, den sich bis zu fünfzehn Nachbarn, wie die Kaufleute hier hießen, sowie ihre Gehilfen und Lehrjungen teilten. Jeder Hof hatte einen Versammlungsraum, Schötstube oder Schütting genannt, zu dem eine

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