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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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hatte es mit ihrer Unsicherheit entschuldigt, er fand Drudekes kindliche Bewunderung beinahe rührend. Immer wieder hatte er versucht, andere Themen anzuschneiden, aber es gab nur wenig, was sie zu interessieren schien, jung und unbedarft, wie sie war. Mechthild Diercksen wollte sich in ihr Gespräch einmischen, doch ihr Mann, der schon an der Tür stand, rief nach ihr.
    »Ich war nicht sehr höflich«, entschuldigte sich Adrian bei Drudeke, als sie allein waren.
    Die junge Frau war über einen Kopf kleiner als er, ihre großen Augen blickten ernst. »Henrike Vresdorps Schicksal scheint Euch recht nah zu gehen«, stellte sie fest.
    »Ist das ein Wunder? Ich kannte ihren Vater gut«, sagte er schärfer, als er es vorgehabt hatte. Die Gefühle, die in ihm tobten, ließen sich nur schwer bezwingen.
    Drudeke schlug die Lider nieder. Ihre Stimme war dünn, als sie wieder sprach. »Ich wollte Euch nicht erzürnen. Ich wollte Euch nur sagen   ...«, sie zögerte. »Ich weiß, dass Ihr mich nicht liebt. Ich weiß, dass mein Vater eine hohe Mitgift bietet. Aber ich kann Euch sagen, dass Ihr mir gefallt und ich mir alle Mühe geben will, Euch zu gefallen.« Sie wandte sich ab und lief die Treppen hinauf ins Haus.
    Adrian sah ihr nach, verwirrt und beschämt zugleich. Drudeke war hin- und hergeschoben worden, wie ein Spielstein. Er und ihr Vater hatten beinahe über sie verhandelt wie über eine Ware. Wie es ihr dabei ging, hatte niemand gefragt, auch er nicht. Dabei ging es hier nicht um Waren, es ging um Menschen und ihre Gefühle. Und er hatte die verdammte Pflicht, diese auch ernstzunehmen. Er musste dringend für klare Verhältnisse sorgen und Bruno Diercksen sagen, dass er in die Verlobung einwilligen würde.

25
    Bergen, April 1376
    B ergen voraus!«
    Die Kogge hatte den Inselgürtel passiert, der die Stadt vor der offenen See schützte. In der Ferne waren vor den hochaufragenden Felsen ein trutziges Gebäude, fünf Kirchtürme und unzählige Holzhäuser zu sehen. Simon stürzte mit Claas an die Reling, versuchte jede Einzelheit des Ortes und seines so berühmten Hafens aufzunehmen, in dem heute viele kleine Schiffe lagen. Bergen   – Krönungsstadt, königliche Residenz, Bischofssitz und vornehmster Handelsplatz Skandinaviens! Dreiundvierzig Tage waren sie unterwegs gewesen, hatten gerade das Osterfest auf See gefeiert. Die Kogge war zwar nicht langsam, sie hatten aber oft auf günstige Brisen warten müssen. Zudem hatten westliche und nordwestliche Winde das Passieren der Meerengen Kattegat und Skagerrak enorm erschwert. Von Seeräubern waren sie verschont geblieben. Nur einmal war ihnen ein verdächtiges Schiff gefolgt; sie hatten ihm jedoch entwischen können.
    Im Gegensatz zu seinem Vetter, dem die »ewige Schipperei« längst zum Halse heraushing, hatte Simon die lange Passage wenig ausgemacht. In Claas hatte er einen Freund gefunden, auch mit Liv und Bernhard Steding, dem Kaufmann, der damals im schlimmsten Sturm an Deck geblieben war und ihnen geholfen hatte, hatte er sich oft unterhalten. Überdies war seine Arbeit abwechslungsreicher geworden. Seit sie durch das gefährliche Seegebiet Norwegens fuhren, waren sie regelmäßig vor Anker gegangen. Der Koch hatte die Jungen stets mitgenommen, um an Land Wasser zu beschaffen und Gemüse zu kaufen. Die Menschen, die mit ihnen handelten, freuten sich über ihre Ankunftund versuchten sich mit Hilfe von Händen und Füßen mit ihnen zu unterhalten. In diesem Teil der Welt schienen die Winter lang und einsam zu sein, Besuch war selten und wurde gern gesehen. Auch die Landschaft hatte Simon gut gefallen. Die kleinen, dem Festland vorgelagerten Inseln, grüne oder graue Tupfen im Blau. Die unvermittelt hoch aufragenden Berge, mal wolkenverhangen, mal zum Greifen nah. Tiefe Fjorde, in denen sich das Schmelzwasser in einem Wasserfall herabstürzte und mit dem Meer vereinigte.
    Nun erkannte er die ersten Menschen am Kai, kleine Punkte, die sich rasch vermehrten.
    »Ah, sie kommen geströmt. Dann leiden sie Hunger. Gut für uns«, hörte er eine wohlbekannte Stimme hinter sich. Nikolas grinste breit. »Demnach haben es in diesem Frühjahr noch nicht viele Koggen bis nach Bergen geschafft, vielleicht sind wir sogar die erste. Dann wäre der Hunger noch größer, und der Preis, den wir für unser Getreide erzielen könnten, noch höher.« Er wandte sich Simon zu: »Hör gut zu, dann lernst du was.«
    Doch Simon hatte bereits gelernt, dazu brauchte er seinen Vetter nicht. Er

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